Der Spiegel vom 25.06.2012:
http://www.spiegel.de/spiegel/finanzminister-schaeuble-ueber-die-geburtsfehler-des-euro-a-840867.html

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble glaubt, dass es in Deutschland schon bald zu einer Volksabstimmung über eine neue Verfassung kommen wird.
 
 

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Schäuble: Wenn die Dinge, die ich eben skizziert habe, wirklich alle umgesetzt würden und man dann zu dem Schluss kommt, dass die Grenzen des Grundgesetzes erreicht sind, dann sagt das Verfassungsgericht zu Recht: Man kann gern mehr Rechte nach Brüssel übertragen, aber darüber muss das deutsche Volk entscheiden.

SPIEGEL: Das heißt, es gibt bald eine Volksabstimmung in Deutschland?

Schäuble: Wann es so weit sein wird, weiß ich nicht, weiß wohl keiner. Aber ich gehe davon aus, dass es schneller kommen könnte, als ich es noch vor wenigen Monaten gedacht hätte. Auf dem EU-Gipfel Ende dieser Woche wollen die Chefs von vier europäischen Institutionen konkrete Vorschläge für eine vertiefte Integration vorstellen. Danach werden wir sehen.

SPIEGEL: Sie glauben, dass die Deutschen spätestens in fünf Jahren über eine neue Verfassung abstimmen werden?

Schäuble: Vor ein paar Monaten hätte ich noch gesagt: In fünf Jahren? Nie im Leben! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Wollen Sie wissen, warum?

SPIEGEL: Bitte.

Schäuble: Als Ronald Reagan 1987 vor dem Brandenburger Tor forderte: "Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer ein!", haben viele in Deutschland gesagt, der Mann sei verrückt. Zwei Jahre später war es so weit. Ich habe damals selbst nicht geglaubt, dass die Teilung bald zu Ende sein würde. Im Frühjahr 1989 war ich gerade neuer Innenminister in Bonn. Da hat sich der neue US-Botschafter bei mir vorgestellt und prophezeit, die Mauer werde in den nächsten drei Jahren fallen. Ich habe geantwortet: "Vor einigen Monaten hätte ich das noch bezweifelt, jetzt würde ich sagen, mit viel Glück passiert es in den nächsten zehn Jahren." Und wie lange hat es dann wirklich gedauert? Kein halbes Jahr.