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Würde oder Leben - ZU Wesen und Bestimmung der Lebensmittelgutscheine
Liebe Freunde –
Da jetzt immer wieder darauf hingewiesen wird, dass ich das Hungern beenden könnte, da ich ja Gutscheine angenommen habe, möchte ich folgende Klarstellungen geben – und dann die Gutscheine ZEIGEN, dass man sich ein Bild vom Ganzen machen kann.
1.) Die Gutscheine als Rechtfertigung für die Sanktionen
Selbst eine 100%-Sanktion: das Wegkürzen von Wohnung, Krankenkasse und des totalen Geldes für den Lebensunterhalt, sei unbedenklich – weil durch die Vergabe der Gutscheine die Würde des Menschen weiter geschützt sei!
Im Text in einer meiner Gerichtsakten heißt es:
"Die Verfassungsmäßigkeit des geltenden Sanktionsrechtes ergibt sich schließlich auch daraus, dass der Gesetzgeber selbst bei vollständigem Wegfall der Leistungen eine "letzte Grundversorgung" sicherstellt. Durch ein differenziertes Regelungssystem wahrt der Gesetzgeber das Existenzminimum des Betroffenen. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes um mehr als 30 Prozent KANN der Träger AUF ANTRAG in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen." Usw. usf.
Schon wie das Existenzminimum von derzeit 399 Euro plus Wohnung und Krankenkasse durch die Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen im Wert von 200 Euro gedeckt werden soll, bleibt ein Geheimnis im Denken der Richterin. [1]
Noch mehr bleibt ein Geheimnis, wie das "differenzierte Regelungssystem" der "letzten Grundversorgung" noch von einem obdachlos gemachten Menschen in Anspruch genommen werden soll …
Und ob es ihm überhaupt gewährt werden wird, ist ohnehin offen. Es "KANN" so viel geholfen werden … Wie viel "kann" (und "kann leider nicht") verträgt ein Mensch in Not?
Wer mich also bittet, mit den Scheinen einkaufen zu gehen, der hat noch nicht begriffen, worum es geht. Bei aller Freundschaft und Fürsorge betreibt man DAS GESCHÄFT des Jobcenters, wenn man mich um solches bittet. Denn dieses benutzt Beantragung und Einlösung der Gutscheine ZU SEINER LEGITIMATION!
Ebenso hat mich noch nicht begriffen, wer mich bittet, zum Essen SPENDEN anzunehmen. Das ENTLASTET das Jobcenter! Statt es unter Druck zu bringen.
2.) Die Gutscheine und die Menschenwürde:
Die Gutscheine beim SANKTIONÄR erbetteln zu müssen – sie können von ihm auch einfach abgelehnt werden! – stellt an sich schon eine nicht zu fassende Demütigung dar. Stell Dir vor, du wirst obdachlos und vergewaltigt und musst BEI DEINEM VERGEWALTIGER um ABFÄLLE ZUM ÜBERLEBEN betteln!
Die Demütigung wird verschärft, da sich der Sanktionär ALLEINE MIT DER IN-AUSSICHT-STELLUNG der Gutscheine für sein Tun rechtfertigen und aus der Verantwortung für das Wohlergehen des Betroffenen ziehen kann:
BEANTRAGE ich die Gutscheine, sind zwar meine Würde und meine Integrität vernichtet (Betteln beim Sanktionierer höchst persönlich, entwürdigendes Gutschein-Einlösen beim Kauf von Lebensmitteln, Anerkenntnis der verfassungswidrigen Machtstellung des Jobcenters usw. usf.)
d.h., ich verhungere zwar nicht und lebe
weiter (Wenn es denn nicht ein bloßes vegetieren ist) –
Beantrage ich die Gutscheine ABER NICHT,
bin ich aus Sicht des Jobcenters "selbst Schuld", wenn ich sterbe!
Weitab von der Maßgabe des Grundgesetzes (Leben IN Würde) und in bester Mafia-Manier werde ich also zur Entscheidung gezwungen, ob ich ein Leben statt Würde (Annahme der Gutscheine) oder Würde statt Leben (Ablehnung der Gutscheine) haben will.
3.) Praktische Probleme beim Einlösen der Gutscheine
Neben dem Verlust der Würde ergeben sich für denjenigen, der die Gutscheine einlösen will, eine Fülle praktischer Probleme:
Kaum ein Laden nimmt sie an!
Wer den Gutschein einlösen will, wird bei Vorlage sofort als Nichtsnutz und sozialer Abschaum, im besten Fall vielleicht nur als bemitleidenswertes Opfer der Gesellschaft betrachtet.
Der Verkäufer hat ERHEBLICHE Probleme, später im Jobcenter an sein Geld zu kommen! Und es gibt für diese zeit- und nervenraubende Zusatzarbeit, in der er selbst würdelos wie ein Bittsteller vom Jobcenter behandelt wird, KEINEN BONUS.
Das Formular ist voll mit Fallstricken, die ein Einlösen durch den Geschäftsmann zum GLÜCKSSPIEL machen – siehe später.
Meist wird der Gutschein für den ganzen Monat ausgestellt. Er muss mit EINEM Einkauf eingelöst – und Rückgeld darf vom Händler nicht ausbezahlt werden. [2]
Gemüse, Früchte kann man so nicht kaufen, weil die Haltbarkeit nicht reicht.
Haltbares Essen (Konserven) kann man nicht
kaufen, weil der Strom zum Kochen fehlt. Mit Gutscheinen kann man keine Fahrkarten kaufen, Telefon-, Strom-, Mietkosten begleichen. Man kann sich keine Medikamente, Körperpflegeartikel oder Waschmittel kaufen, keine Briefmarken kaufen (man ist weiter zur Korrespondenz mit dem Jobcenter und zu Bewerbungen gezwungen), keine öffentliche Waschmaschine benutzen, nicht kochen – aber die Würde ist gesichert …
In kleineren Städten und Gemeinden existiert das Problem, dass die Sanktionierten in nahe gelegenen Läden NICHT BEDIENT werden, wegen Geldmangel (keine Fahrkarte) die ggf. noch möglichen Läden aber NICHT ERREICHEN können. Außerdem haben sie ggf. das Problem, dass ohne ein entsprechendes Verkehrsmittel ein Einkauf für den ganzen Monat nicht TRANSPORTIERT werden kann.
Die Stigmatisierung in kleineren Städten ist unglaublich.
Um es im Bilde zu sagen:
Als Christus in der vollen Mittagssonne ans Kreuz genagelt wurde, wurde er neben den ohnehin unerträglichen Schmerzen der Kreuzigung zusätzlich auch noch stark von Durst gequält. Statt in Aussicht gestellten Wassers, presste man ihm dann aber einen Schwamm mit schärfstem Essig in den Mund.
In ähnlicher Weise stellt auch das Angebot der Essensgutscheine nur eine ZUSÄTZLICHE FOLTERMAßNAHME dar. Nach außen wird lügnerisch DER ANSCHEIN erzeugt, als würden die Menschenrechte noch geachtet. Unsere Juristen brauchen diese Blendung, um sich für ihr verfassungs- und menschenrechtswidriges Tun rechtfertigen zu können! Die Menschen, die mit den Essensgutscheinen beglückt werden, können damit aber meist nichts anfangen und werden so ZUSÄTZLICH als Versager stigmatisiert.
Durch die
Einkaufsgutscheine wird nicht die Würde der Menschen geachtet.
(Im Asylrecht wurden die Gutscheine aus diesem Grund schon abgeschafft.)
5.) Warum ich dann trotzdem die Gutscheine beantragt habe
Nachdem ich vom Jobcenter mit lügnerischster Freundlichkeit zur Beantragung der Gutscheine eingeladen worden war, wollten ich und meine Freunde die Seelenkälte erleben, wenn ein Lügengeist mich erpresst, mich im Sinne der Option "Würde ODER Leben" zu entscheiden und sich dabei selbst aus der Verantwortung zieht.
Und wir wollten ihm seine Grenze zeigen.
Die Kälte dieses Lügengeistes HABEN wir in vollem Umfang erlebt. Auf KEINE meiner eindringlich gestellten Fragen,
hatte er eine Antwort,
außer dass er immer wieder geistleer plärrte:
Die MENSCHEN, die dem Lügengeist ihre Seelen zur Verfügung stellten, schwiegen aus Angst und hatten Denkblockaden.
Auf die Frage,
gab es schon gar keine Antwort mehr.
Ein Genuss war es dann, den Kurzschluss in den Hirnsynapsen des Lügengeistes zu erleben, als ich den Antrag auf die Lebensmittelgutscheine stellte, OBWOHL klar war, dass ich ihm damit ALLES an die Hand gab, was er wollte: Die Entlastung von seiner Verantwortung UND die Vernichtung meiner Würde!
Der doppelte Genuss folgte, als ich dann die Lügenprozedur ihres von ihm gewollten Zwecks enthob und begann, vor seinen Augen die Scheine aufzuessen.
Die HÖHE des Genusses folgt aber, wenn ich die Scheine jetzt besprechen werde.
6.) Die Gutscheine
Liebe Freunde –
hier setze ich jetzt das Bild eines
Gutscheines ein und bitte Euch, ihn in Ruhe zu studieren. Ich werde ihn dann Punkt für Punkt besprechen.
Über die Entwürdigung, die der Gutschein für DEN BETROFFENEN bedeutet, habe ich schon gesprochen. Jetzt schaue ich den Gutschein aus der Sicht DES VERKÄUFERS an:
Schon die Überschrift ist ein typisches Beamtenkonstrukt, für einen Außenstehenden NICHT verständlich.
Der Gutschein richtet sich ja an den Verkäufer. Der Verkäufer wird sich fragen, was er mit einer "Gewährung von Sachleistungen in Form von Gutscheinen" anfangen soll.
Können SIE ihm das erklären? Zumal, wenn Sie betroffen, ungewaschen, verzweifelt, hungrig, zitternd und verachtet vor der Kasse stehen?
Eindeutig wäre ein schönes Jobcenterlogo – mit dem Wort "Lebensmittelgutschein" oder "Gutschein".
Gut wäre auch eine Telefonnummer, durch die der Verkäufer sich bei Fragen direkt mit dem Jobcenter in Verbindung setzen kann. Die im obersten rechten Feld angegebene Nummer ist nicht eine Servicenummer für Unternehmer, sondern für Hartz-IV-Empfänger.
Bei so mangelhaftem Service gegenüber dem Verkäufer wird ein Unwille gegen den Gutschein Vorlegenden gleich von Anfang an genährt. Und die nächsten Schwierigkeiten folgen …
Der Betroffene wird jetzt die Kasse blockieren und seinen Personalausweis vorlegen und der Verkäufer, seine Kassiererin wird mit langwierigen Notiz- und Kontrollaufgaben beschäftigt sein. Im Ernstfall kopiert man den Personalausweis, um Sicherheit zu haben.
Jetzt wird es interessant:
"Für Herrn R.B. bitten wir nachfolgende
Leistungen auf unsere Kosten auszuführen:
Zunächst zum Satz selbst: Richtig formuliert müsste er heißen:
"Für Herrn R.B. bitten wir nachfolgende
Leistungen auf unsere Kosten auszuführen: oder: "Für Herrn R.B. bitten wir nachfolgende Waren auf unsere Kosten auszugeben: Lebensmittel …"
Dann zum INHALT dieses "Satzes" …
"Lebensmittel ohne alkoholische Getränke und Tabakwaren im Wert von 10,00 Euro."
so hat der Satz ZWEI VERSCHIEDENE
Bedeutungen: Erstens: "Lebensmittel - ohne alkoholische Getränke und Tabakwaren - im Wert von 10,00 Euro." Zweitens: "Lebensmittel ohne alkoholische Getränke - und Tabakwaren im Wert von 10,00 Euro."
Im Sinne der zweiten Lesart werden wir demnächst mit einem der Scheine Tabakwaren einkaufen gehen! ;-)
Wechselgeld gibt es normalerweise gar nicht – oder nur bis 10 Prozent. Mit 25 Prozent haben wir eine echte Lex Boes erwirkt. Man ließ sich auf alle Bedingungen von uns ein, nur um mich über den Tisch zu ziehen …
Auch der Wert des Gutscheins (10 Euro) wurde von UNS ausgehandelt.
Unter "Wichtige Hinweise für die Lieferanten" ist zu lesen: "Der Gutschein ist nicht übertragbar und wird nach Ablauf eines Monats ungültig."
Das ist schön und klar gesagt. Die Frage ist nur: FÜR WEN er nach Ablauf eines Monats ungültig wird.
Für den Bedürftigen?
Sicher! DER dürfte sich oben am Druckdatum
(hier 31.07.2015) zu orientieren haben … Aber auch für den Verkäufer ??? Muss der Verkäufer befürchten, dass er den Gutschein nicht bezahlt bekommt, wenn er diesen erst nach Ablauf eines Monats (laut Druckdatum? – oder laut Unterschriftsdatum? in der Empfangsbestätigung) beim Amt einreicht?
"Es dürfen nur die angegebenen Waren
gegen Vorlage eines Identitätspapiers abgegeben werden"
–
"Aufträge ohne Originalunterschrift und Originalstempel/Dienstsiegel dürfen nicht ausgeführt werden" – Die Originalunterschrift/das Dienstsiegel wessen? Des Amtes – des "Kunden" – oder des Verkäufers?
Vom Amt ist jedenfalls KEINE Unterschrift zu sehen.
Unsicherheiten über Unsicherheiten …
Damit der Verkäufer aber GENAU weiß, was gemeint ist, steht darunter:
"Die Bezahlung des in Rechung
gestellten Betrages kann abgelehnt werden, wenn die oben angeführten
Bestimmungen nicht eingehalten werden."
7.) Schlussbemerkung
Liebe Freunde – wir haben hier ein Dokument, welches äußerst viele Fragen aufwirft, und für den Verkäufer die Bedienung des Betroffenen ZUM RISIKO macht.
Zu allen oben geschilderten Problemen über die prinzipielle Menschenrechts- und Verfassungswidrigkeit der Gutscheine kommt DIESE Seite der Sache noch hinzu.
Sie treibt die Erniedrigung des Bedürftigen NOCH TIEFER.
Im gesamten System Hartz IV haben wir einen Geist gnadenloser Menschenverachtung wirken. Dieser tritt zwar auch an den Lebensmittelgutscheinen hervor, wirkt sich aber im gesamten Hartz-IV-System, im gesamten Umgang mit allen Betroffenen, auch innerhalb der Jobcenter - und letztlich auch auf den Verkäufer aus. Auch die Spaltung des Volkes, seine Verführung zu Niedertracht und Verleumdung und die allgemeine Volksverhetzungsstimmung gegen die Hartz-IV-Bezieher wird durch diesen Geist bewirkt.
Nachdem der menschenverachtende Umgang der Jobcenter mit den Hartz-IV-Beziehern durch den Wallraff-Film "Reporter Undercover" in die Öffentlichkeit kam, hat sich das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, eine "Kultur der Wertschätzung" für den Umgang der Öffentlichkeit mit den Mitarbeitern der Jobcenter gewünscht.
Eine Kultur der Wertschätzung wäre dringend nötig – aber nicht nur gegenüber den Mitarbeitern der Jobcenter, sondern auch gegenüber den von Arbeitslosigkeit Betroffenen und gegenüber ALLEN Menschen in der Gesellschaft.
Eine solche Kultur der Wertschätzung ist nur aber möglich, wenn das GESETZ, welches dem sozialen Leben in der BRD zugrunde liegt, nicht aus purer Menschenverachtung resultiert.
Aus einem Leben in Würde aus dem 49.sten Hungertag - Berlin, den 18.08.2015 Ralph Boes
[1] Damit sie es nicht lüftet, ist sie gut "bestallt". [2] In MEINEM Fall hat mein Begleiter allerdings das Recht von 2,50 Euro Rückgeld pro 10-Euro-Schein von den JC-Mitarbeitern erstritten. Es handelt sich aber um eine aus reiner Kampfeslust erstrittene, rechtswidrige LEX BOES und hat deshalb für eine grundständige Diskussion des Sachverhaltes KEINE Bedeutung. Es sei denn, jemand macht für sich einen Präzedenzfall daraus.
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