Anfrage von Susan Bonath ans Jobcenter
Mitte
Zehnte 100-Prozent-Sanktionierung von Ralph Boes Sehr geehrte PressesprecherInnen, wie ich erfahren habe, wurde der politische Aktivist Ralph Boes, der seit 1. Juli 2015 "sanktionshungert", vom Jobcenter Berlin Mitte am Donnerstag zum zehnten Mal in Folge vollsanktioniert. Am 31. Juli hatte er auf Antrag erstmals Gutscheine für "Lebensmittel ohne alkoholische Getränke und Tabakwaren" vom Jobcenter Berlin Mitte erhalten. Damit begründen Jobcenter regelmäßig die Sicherstellung des Existenzbedarfes. Allerdings waren die Scheine - das habe ich nachprüfen können - im Fall Boes nicht von der Behörde unterschrieben, obwohl das explizit auf dem Schein gefordert ist. Eine Anfrage seitens einer Aktivistin bei einem Realmarkt unter Vorlage des Scheines ergab, dass der Markt diesen tatsächlich ohne Unterschrift nicht einlösen dürfe und könne. Zweitens sind mit Lebensmittelgutscheinen keine weiteren Grundbedürfnisse, wie Miete (Obdach), Haushaltsenergie, Hygieneartikel ... abgedeckt. Im Fall Boes weiß das Jobcenter, dass der Sanktionierte nicht den Anordnungen der Behörde, eine vorgegebene Arbeit oder Maßnahme anzunehmen oder Bewerbungen zu schreiben, folgen wird. Dies hat er unmissverständlich gegenüber dem JC deutlich gemacht. Somit muss dem Jobcenter Berlin Mitte bewusst sein, dass es mit den Strafmaßnahmen nichts erreichen wird. Es muss also hier von einer Schikane ausgegangen werden (wofür auch die nicht unterschriebenen Gutscheine wider besseres Wissen sprechen). Ich muss vermuten, dass es das Jobcenter darauf anlegt, Herrn Boes verhungern zu lassen. Wie der Behörde, der BA und dem BMAS bekannt ist, hat er sich dazu entschlossen, keine Darlehen von Freunden mehr anzunehmen und zu hungern, da er mittellos sei. Ich habe folgende Fragen dazu: 1 .Mit welcher Begründung hat Herr Boes die zehnte 100-Prozent-Sanktion erhalten? 2. Warum wurden die Lebensmittelgutscheine nicht unterschrieben, so dass sie Herr Boes nicht einlösen kann? 3. Was genau will das Jobcenter Berlin MItte mit den 100-Prozent-Sanktionen, jetzt auch der zehnten, gegen Herrn Boes erreichen, da es doch weiß, dass Herr Boes sich nicht an bestimmte (nicht nach dem StGB strafbewehrte) Auflagen halten wird? 4. Nach dem BGB (§ 226) gibt es ein Schikaneverbot. Muss sich das Jobcenter daran halten, oder sind Amtsträger davon nicht berührt? 5. Nach dem StGB (§ 240) ist Nötigung (auch explizit von Amts wegen) verboten. Eine Nötigung wäre zumindest zu vermuten, wenn ein Mensch unter Androhung eines empfindlichen Übels gezwungen werden soll, bestimmte Tätigkeiten auszuüben. Eine Sanktionierung unterhalb des Existenzminimums ist, mit logischem Menschenverstand betrachtet, ein sehr empfindliches Übel. Dessen Ausübung lässt zudem mutwillige Körperverletzung vermuten. Wie sehen dies die BA, das BMAS und das Jobcenter Berlin Mitte? 6. Laut BVerfG (2/2010; 7/2014) muss einem Hilfebedürftigen stets das physische und soziokulturelle Existenzminimum in vollem Umfang gewährt werden. Das Gericht bezog sich dabei auf die im § 20 SGB II genannten Bedarfe. Bei Herrn Boes und anderen Teil- oder Vollsanktionierten kann dies nicht der Fall sein, da die vollen Hartz-IV-Sätze bereits das vom Gesetzgeber zu berechnende Existenzminimum darstellen. Wie begründen BMAS, BA und JC Berlin Mitte diese offensichtliche Beschneidung dieses Grundrechts, ohne dass ein Straftatbestand vorliegt oder ein entsprechendes Gerichtsurteil nach geltenden Gesetzen gefällt wurde? 7. Das Sozialgericht in Berlin stellte Anfang Juli einen Formfehler bei der ersten Sanktion fest. Nach dem Sanktionsbescheid sei kein neuer Leistungsbescheid mit der geminderten "existenzsichernden" Leistung ergangen. Ein aufgehobener Sanktionsbescheid hätte im Fall Boes zur Folge, dass auch Nachfolgebescheide aufgehoben werden müssten, da sie infolge rechtswidrig wären. Wie ist das Jobcenter Berlin Mitte damit umgegangen? 8. Sollte Herr Boes aufgrund seines "Sanktionshungerns" zu Tode kommen: Welche Verantwortung verorten Jobcenter, BMAS und BA bei sich selbst?
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Antwort Jobcenter Berlin Mitte: Sehr geehrte Frau Bonath, Die Geschäftsführung des Jobcenters Berlin Mitte kann die Anfrage so kurzfristig nicht beantworten. Sobald mir hier eine Stellungnahme vorliegt, werde ich mich bei Ihnen wieder melden. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Mit freundlichen Grüßen im Auftrag
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