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Ralph Boes

Berlin, den 07.01.2015

 

 

 

An das
Jobcenter Berlin-Mitte

 

 

Betr.: BG 955A123521tr.:
Ihren Brief vom 19.12.2014

 

 

Sehr geehrte Frau Xxxxxxx

 

 

Über Ihre strikte Weigerung, auf meine Fragen einzugehen, bin ich jetzt doch sehr über-
rascht.

Ich kann sie verstehen – aber sie ist so absolut nicht akzeptabel.

Indem ich Sie fragte,

inwiefern DURCH IHRE TATEN,
vor allem aber DURCH DIE gesetzlich geforderten SANKTIONEN
meine Würde geachtet und geschützt wird,

habe ich nicht eine sachfremde und irgendwie übergehensfähige "politische" Frage an Sie gerichtet. Es handelt sich um die Frage, die die Grundlage eigentlich JEDER (gesunden) menschlichen Begegnung ist – und um die Ur-RECHTS-frage dieser Republik!

 

 

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

So heißt es ja bekanntlich in unserer Verfassung.

 

Wie ich das letzte Mal das Wörtchen "schützen" hervorgehoben habe, möchte ich das diesmal mit dem Wörtchen "aller" tun: "Sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe ALLER staatlichen Gewalt".

 

Im Gegensatz zur Fassung der Charta der europäischen Menschenrechte, in der es nur noch heißt:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen."

– in der also niemand mehr genannt ist, der für das Achten und Schützen verantwortlich ist (was – leider mit Absicht – die Sache zu einem bloßen Lippenbekenntnis macht), ist hier – aus bekannten guten Gründen !!! – der Verantwortliche absolut genau benannt.
ALLE
staatliche Gewalt ist in die Pflicht genommen – nicht nur ein ungenannter oder näher zu definierender Bereich.

 

 
 

Sehr geehrte Frau Xxxxxxx,  

 

natürlich gehören Sie als Ausführende / Vollziehende staatlicher Gewalt zu diesem "ALLER" absolut mit dazu. Weshalb die im letzten Brief gestellte Frage nicht nur eine politische, sondern die – auch rechtliche ! – Grundfrage unserer Beziehung und Ihrer Arbeit schlechthin ist. Und ich bin sicher, dass viele ihrer Kollegen, vielleicht auch Sie selbst, gerne direkt im Sinne der Achtung und es Schutzes der Menschenwürde arbeiten würden - und selbst vielfach darunter leiden, dass die Möglichkeit dazu nur eingeschränkt gegeben ist.

 

Nun hat unser Gesetzgeber es aber versäumt, ein Gesetz zu schaffen, das mit der Menschenwürde vereinbar ist. In Hartz IV ging es nicht darum, die Wandlungen der Wirtschaft und der damit verbundenen internationalen Beziehungen so zu begleiten und zu gestalten, dass bedingungslos die Menschenwürde geachtet und geschützt ist. Im Dienste der Interessen ganz bestimmter Wirtschaftsgruppen ging es darum, den Niedriglohnsektor und die "Flexibilisierung" des Arbeitsmarktes zu fördern. Und die Sanktionen sind das entscheidende Mittel, die Menschen zur Aufnahme von Arbeiten zu bewegen, ja zu nötigen, die ihren eigentlichen Bedürfnissen widersprechen.

 

In äußerst bedenklicher Weise hat man die Bundesrepublik im Sinne eines Marktes, der nicht mehr Ausdruck einer naturgemäßen und menschlich-wohltätigen Wirtschaftordung sondern einer ausschließlich gewinn-orientierten neoliberalen Gesellschaftsoberklasse ist, vom "demokratischen und sozialen Bundesstaat", der er nach Artikel 20 GG Satz 1 sein soll, zu einer sog. "marktkonformen Demokratie" verwandelt, in der die "Markt"-vorteile Übergewicht erhalten. Der Grundsatz:

"Wenn es den Menschen gut geht, geht es auch der Wirtschaft gut",

weil "Wirtschaften" das natürlichste Interesse einer gesunden Menschheit ist, wurde durch die schon millionenfach als absolut falsch erwiesene Behauptung

"Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Menschen gut"

ersetzt.

 

Herrenrechte und Privilegienrechte sind an Stelle der verfassungsmäßigen allgemeinen Rechte getreten. Die Bundesrepublik im Sinne ihrer Gründer wird – und dies inzwischen nicht nur auf dem sozialen, sondern auf fast allen Feldern – abgeschafft. Und dieses hindert uns immer mehr daran, konfliktfrei an die Verfassung anzuknüpfen.

 

Dennoch ist die Verfassung weiterhin allgemeines und vor allem gültiges Recht. Und im Spannungsfeld der verfassungswidrigen politischen Geschehnisse mit der Verfassung und den allgemeinen Menschenrechten entstehen unsere Probleme.

 

  

 

Sehr geehrte Frau Xxxxxxx

 

Nach Artikel 20 GG Satz 4 heißt es:

"Gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht auf Widerstand  –  wenn andere Abhilfe nicht möglich ist".

 

Als ein Weg, die letzten noch möglichen Schritte zu einer solchen "anderen Abhilfe" zu gehen, sind meine Aktionen auch mit Ihnen anzusehen.  ICH begreife meine Aktionen als grund-menschliche Pflicht, die selbst durch unsere Verfassung gedeckt und gefordert ist.

 

Sie haben nun zu entscheiden, wie Sie damit umgehen wollen.

Meine Würde ist durch Sie zu achten und zu schützen.
Inwiefern glauben Sie, dass Sie dies tun, wenn sie mich in der Art behandeln, wie es durch SGB II vorgesehen ist? 

Die Antwort auf diese Frage steht noch immer offen.

Und gegebenenfalls auch, dass Sie remonstrieren.

 
In Artikel 20 GG, Satz 3 heißt es:
"Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden." 

Sie sind einerseits an das Gesetz – andererseits aber auch an das Recht gebunden. Und das Verfassungsrecht ist allen anderen Gesetzen vorgeordnet.

 

Im Sinne des § 63 BBG ist es die PFLICHT eines jeden Beamten, zu "remonstrieren" wenn er Zweifel an der Rechtsgültigkeit der ihm vorgegebenen Handlungen hat.

Er hat sogar absolut und unentbindbar die angeordnete Durchführung einer Handlung zu verweigern, wenn die Würde des Menschen durch die Anordnung verletzt wird.

Und Beamter im Sinne der Remonstrationspflicht ist haftungsrechtlich jeder, dem die Ausübung öffentlicher Gewalt anvertraut ist.

 

 

 

Sehr geehrte Frau Xxxxxxx –
 

Nun  kann ich mir denken, welche Hürden damit zusammenhängen, den so geforderten Weg zu gehen. Und ich bitte nicht ums "Ganze".

Ich mache Ihnen ein Angebot, welches im Rahmen Ihrer Möglichkeiten liegt und mich auf meinem Weg nach Karlsruhe stützen würde:

Sie haben mir die Möglichkeit zur Mitteilung von Anpassungswünschen nach § 15 SGB II eingeräumt.

Im ersten Satz des § 15 heißt es:

"Die Agentur für Arbeit soll … die für die Eilgliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren."

Ich unterstreich diesmal das Wort "soll". Soll heißt nicht "muss".
Ich würde sie bitten, die Vereinbarung auszusetzen.

 

Da ich die Sache allerdings wieder öffentlich machen werde, bitte ich Sie, das mit ihren Vorgesetzen abzusprechen. Ansonsten bin ich zu jedem Gespräch mit Ihnen und auch mit ihren Vorgesetzen bereit.

 

 

 

Mit freundlichem Gruß,

 

Ralph Boes