Hartz4-Plattform: Eilklage gegen den neuen 364-Euro-Regelsatz
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Fehlerhafte Erfüllung der Anforderungen
des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 9. Februar 2010
 

„In der letzten Aprilwoche wurde eine von uns unterstützte Eilklage
gegen den fehlerhaft ermittelten und zu geringen Regelsatz von 364 €
beim Sozialgericht eingereicht,“ teilt Hartz4-Plattform Sprecherin
Brigitte Vallenthin mit. „Unsere Bürgerinitiative dankt Dr. Ulrich
Sartorius, Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg und langjähriger
Dozent bei der Deutschen Anwalt Akademie, für seine Unterstützung bei
diesem Verfahren. Damit wollen wir im Interesse aller Betroffenen den
schnellst möglichen Rechtsweg beschreiten, damit das
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Politik an ihre Hausaufgaben aus
dem Hartz IV-Urteil vom 9. Februar 2010 erinnert und nach dessen
Buchstaben ein tatsächliches Grundrecht auf „menschenwürdiges
Existenzminimum“ sicher stellt.“

Der für einen von der Hartz4-Plattform unterstützten Kläger eingereichte
Antrag auf einstweilige Anordnung fußt auf erheblichen Bedenken, die
bereits im Gesetzgebungsverfahren geltend gemacht wurden und verweist
auf die Ausschussdrucksache des Ausschuss für Arbeit und Soziales vom
16.11.2010, 17 (11) 309 sowie verfassungsrechtliche Einwendungen von
Münder, Prof. Dr. jur. Johannes Münder, Technische Universität Berlin.

Der Schriftsatz beruht auf einem von Anwältinnen und Anwälten der
Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV)
erstellten Musterschriftsatz, der mit weiteren Musterschriftsätzen zum
SGB II demnächst veröffentlicht wird. Deren Inhalte stehen dann den mehr
als 1.000 Anwältinnen und Anwälten zur Verfügung, die Mitglieder der
DAV-Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht sind.

Tenor der Klage ist:

„Die Ermittlung und Festlegung des Regelbedarfs entspricht nicht den
Anforderungen, die das BVerfG dem Gesetzgeber aufgegeben hat.“ Ihnen
„genügen die Neuregelungen in mehrfacher Hinsicht nicht.“

Im Einzelnen begründet die Klage unter anderem:

- Die „Fehlerhaftigkeit in qualitativer Hinsicht“ und „Bedenken in
quantitativer Hinsicht“ bezüglich der „Festlegung der Referenzgruppe“ -
u.a. auch des Splitting in die unteren 15% für Einzelpersonen und 20 %
für Familien-Haushalte.

- „Die EVS 2008 ist als Datengrundlage nicht ausreichend“ - im
Unterschied zu derjenigen von 2003. Bei der „ging das BVerfG davon aus,
dass die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe in statistisch
zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung abbilde.“ Im
Ergebnis: „Die zu ermittelnden Werte können nicht zuverlässig aus der
Einkommens- und Verbrauchsstatistik abgeleitet werden, da keine eigenen
statistischen Erhebungen der Bundesregierung zu den Bedarfen vorgenommen
wurden.“ Und: Dem „Verfahren zur Ableitung der Regelsätze“ mangelt es an
„ausreichender Transparenz.“

- „Die Problematik von Abschlägen“ infolge der „Vermischung
Warenkorb/Statistikmodell“ führt zu einer „Größenordnung der
Reduzierung“ des Regelsatzes, die es ausschließt, „einen
überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen
unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen Position auszugleichen.
(…) Hinzu kommt, dass die Abschläge immer auch Personen treffen, die
diese ausgaben nicht haben.“

- Zum häufigst zitierten Streichen von Tabak und Alkohol: „Vielfach ist
der Konsum von Bier und Wein (…) Bestandteil einer regionalen Kultur
(z.B. Oktoberfest, Winzerfeste). (…) Es gibt sehr wenige Veranstaltungen
im privaten und öffentlichen Bereich, in denen die Zugehörigkeit zum
gesellschaftlichen Leben nicht auch dadurch geprägt ist, dass man in der
Lage ist, die Kosten für ein Getränk, das auch Alkohol enthält,
aufzubringen, wie das Bier beim Schauen einer Sportveranstaltung, einer
Musikveranstaltung (…), die grundsätzlich auch Empfängern von Leistungen
nach dem SGB II nicht vorenthalten bleiben dürfen.“

- „Ausdrücklich gegen die Vorgabe des BVerfG verstößt die Berechnung des
Bedarfs für Verkehr.“ Dabei sind „die Personen, die ein Auto fahren,
herausgerechnet worden (...) ein deutlicher statistischer Fehler, der zu
einem erheblich falschen Ergebnis (…) zu einer Verfälschung nach unten
führt.“

- „Weiter gehören (…) unter Missachtung der tatsächlichen Gegebenheiten
die Stromkosten immer noch nicht zu den Kosten der Unterkunft“ und es
ist „ebenfalls systemwidrig (…), diese Kosten weiterhin im Regelsatz zu
belassen.“

„Wir hoffen mit dieser überzeugenden Eilklage auf eine absehbare
Entscheidung und Klarstellung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich
des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum,“ so Brigitte
Vallenthin.


Fußnote:
Alle kursiv gesetzten Zitate sind der Antragsschrift zur einstweiligen
Anordnung entnommen.

Wiesbaden, 03. Mai 2011

Brigitte Vallenthin
Presse
 

Hartz4-Plattform
keine Armut! - kein Hunger! - kein Verlust von Menschenwürde!
 

Bürgerinitiative für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens
sowie die Information und Unterstützung von Hartz IV-Betroffenen

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Weitersagen! Kürzlich erschienen: „Ich bin dann mal Hartz IV“ von Brigitte
Vallenthin, Vorwort von Helga Spindler, 128 Seiten, 9,80 €, ISBN
978-3-89965-433-2