Zur Lüge gezwungen … ?
Aus dem Alltag von Hartz IV
Ein „Kunde“ bekommt vom Jobcenter das Arbeitsangebot eines
Callcenters vermittelt. Pflichtgemäß bewirbt er sich dort, schreibt aber
in seine Bewerbung, dass er ein mit Insolvenz betrauter Betriebsrat
gewesen und noch in der Gegenwart aktiver Gewerkschafter sei - und fordert
10 Euro Stundenlohn.
Natürlich wird er nicht genommen. Zusätzlich zeigt ihn das
Callcenter aber beim Jobcenter an. Dieses sanktioniert ihn jetzt, weil er
durch sein Verhalten die „Anbahnung des Arbeitsverhältnisses“ verhindert
habe!
Interessant ist die Begründung:
„Begibt sich der Arbeitslose in die
Kontaktaufnahmephase zum künftigen Arbeitgeber, so hat er bis zur
Grenze einer überzogenen Selbstdarstellung Interesse an der Arbeit zu
bekunden. Handelt es sich um ein zumutbares Beschäftigungsangebot, so darf
er in seinem Bewerbungsschreiben auch dann nicht zum Ausdruck
bringen, dass es sich nicht um seine Wunschtätigkeit handele, wenn
noch Klärungsbedarf besteht, ob er die Anforderungen des angebotenen
Arbeitsplatzes erfüllt. Im Bewerbungsschreiben ist vielmehr die Option
offen zu halten, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.“
(Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 05.06.2006 AZ: B 7a AL 14/05
R)
Je nachdem, wo es für das Jobcenter günstig ist, wird man
gezwungen, zu lügen!
- Wenn man vorm Jobcenter lügt, wird man bestraft.
- Vorm künftigen „Arbeitgeber“ SOLL man aber lügen!
Und zwar nicht, um seine Menschenrechte zu verteidigen -
man soll sich kriecherisch
andienen und dabei auf alle Menschenrechte, die Menschenwürde, das Recht
auf Vertragsfreiheit und Wahrhaftigkeit, das Recht auf freie Entfaltung
der Persönlichkeit, das Recht auf freie Berufswahl, Verbot von
Zwangsarbeit verzichten.
Drei Fragen:
-
Was sind das für Richter, die sich
nicht scheuen, solche Urteile in die Welt zu setzen?
-
Was sind das für "Arbeitgeber", die im
Umfeld solcher Gesetze erblühen? (Gesunde Arbeitgeber würden sich
jedenfalls scheuen, Unterwerfung und Lüge von ihren Mitarbeitern einzufordern
…)
-
Was ist das für eine Behörde, die sich auf solche
Richtersprüche stützt?
Zur Handhabung:
Die Sache ist vielleicht ganz einfach: Man kann das
Jobcenter mit der geforderten Doppelmoral konfrontieren und sagen:
"Entweder, ich darf hier im Jobcenter lügen, so wie ihr es mir dem
Arbeitgeber gegenüber verlangt - oder ich darf dem Arbeitgeber gegenüber
ehrlich sein." Zur eigenen Absicherung sollte man sich die Entscheidung
auf jeden Fall schriftlich geben lassen. Zu der geforderten Doppelmoral muss man sich nicht
drängen lassen.
RB
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