04.11.2010, Berlin
VORTRAG von Ralph Boes mit anschließender Diskussion:
MAUERFALL
RELOADED - Bedingungsloses Grundeinkommen: ein Fall der Mauer in den Köpfen
Donnerstag, 04.11.2010, 20 Uhr
In der Freien Schule am
Mauerpark, Wolliner Str. 25/26, 13355 Berlin-Wedding
Auf Einladung des BürgerInitiativen-Netzwerks BIN-Berlin
Der Eintritt ist frei.
Einladungstext des Veranstalters:
Am 8.November 2010 findet
die Anhörung von Susanne
Wiest im Bundestag zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen BGE statt.
Ihre Petition zu diesem Thema, die Ende Dezember 2008 startete, war mit über
50.000 UnterstützerInnen die bis dato erfolgreichste in Deutschland überhaupt.
Dieses bedeutende Ereignis nehmen BGE-Initiativen zum Anlass, um bundesweit zu einer Demonstration am Samstag, dem 06.11.2010 um 5 vor 12 in Berlin am Platz des 18. März beim Brandenburger Tor beginnend, und da auch endend, aufzurufen: Unternimm das Jetzt!
Das BürgerInitiativen Netzwerk BIN-Berlin möchte
dazu einen Beitrag leisten und hat einen streitbaren Verfechter des BGE für
einen Vortrag am Vor-Vorabend dieser Demo gewinnen können:
Ralph Boes von der Berliner Bürgerinitiative Bedingungsloses
Grundeinkommen beschließt an diesem Tag eine Vortragsreise durch
Deutschland. In seinem Vortrag greift er die Idee des BGE, die in den letzten
Jahren vor allem durch Prof. Götz Werner, den Firmengründer der
dm-Drogeriemarkt-Kette, mit dem Wahlspruch Unternimm
die Zukunft! ins öffentliche Bewußtsein vordrang, eigenständig und neu auf:
Das Geld, welches heute schon im Sozialsystem kursiert, kann so ausgegeben werden, dass jeder aus einer Konsumsteuer (Arbeit wird von Besteuerung entlastet!) ein die Lebensgrundbedürfnisse deckendes Grundeinkommen erhält, und zwar bedingungslos, d.h. ohne dass seine Bedürftigkeit von Amts wegen überprüft werden müsste, da sie kein Kriterium für den Erhalt ist.
Auch wer durch die Automatisierung und Rationalisierung in
Produktion und Verwaltung aus der Arbeit entlassen wird, findet sich nicht im
jede Initiative erstickenden "fordern und fördern" Bevormundungs-Apparat von
Hartz vor.
Durch sein Einkommen wird er freigestellt, solche Aufgaben in der Gesellschaft
zu übernehmen, die er selbst als notwendig erkennt: sei es auf
wissenschaftlichem, künstlerischem und pädagogischem Gebiet, oder im Bereich der
ökologischen Nachhaltigkeit, des Kulturellen oder des Sozialen wie Pflege und
Betreuung.
Den Ort des Vortrages, die Freie
Schule am Mauerpark, hat BIN-Berlin nicht zufällig gewählt - bis vor drei
Jahrsiebten trennte der Todesstreifen hier zwei Welten.
Aus dem Erleben des Niedergangs der DDR, und der Bemächtigungstendenz der BRD, begann hier ein intensives, ergebnisoffenes Nachdenken über das, was nun Not tat, einen Dritten Weg, über den im Grunde nur bekannt war: er sollte nicht zurückführen zu dem scheinbar Gescheiterten und auch nicht enden in dem offenbar Obsiegenden.
Das Ereignis des Mauerfalls am 9.November 1989 eröffnete dieser geistigen Bemühung um den Dritten Weg, die es im Osten im Grunde seit dem Prager Frühling gab, einen Moment lang eine weltgeschichtliche Chance. Das Scheitern dieses Versuchs verdichtete sich in einem Datum, dem 18.März 1990, der Volkskammerwahl, die - völlig überraschend - jenen Kräften die Mehrheit verschaffte, die den Beitritt der DDR zur BRD ohne Bemühung um eine gemeinsame Verfassung wollten, und somit eben KEINE Wiedervereinigung stattfinden konnte, sondern etwas anderes - ein Vorgang, den manche weiterhin als "Anschluss" bezeichnen, und mit dessen Konsequenzen wir nun zu leben haben.
Genau 142 Jahre vor diesem Datum ereignete sich aber Revolutionäres nahe dem Ort, an dem dann später für gut 30 Jahre der "Palast der Republik" stand: Tausende BerlinerInnen versammelten sich dort, ermutigt vom Geist der weltgeschichtlichen Phase, die wir als Vormärz kennen, um vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV erweiterte Freiheitsrechte einzufordern. Der Vormärz endete an diesem Tag in einem Blutbad: die Bürgerinnen und Bürger, die sich opferten, erwirkten aber einen gewaltigen Impuls für die Freiheit und die Grundrechte im revolutionären Europa.
Die Niederlage für diesen Impuls durch die adelige Reaktion Europas verarbeitete Ferdinand Freiligrath 1849 in einem Gedicht, das endet:
Nur, was zerfällt, vertretet ihr!
Seid Kasten nur, trotz alledem!
Wir sind das Volk, die Menschheit wir,
Sind ewig drum, trotz alledem!
Und dieses Wort aus dem Jahre 1849 begegnet uns wieder im Wendejahr 1989: "Wir
sind keine Verbrecher - wir sind das Volk", hieß es zunächst auf den
Demonstrationen. Bald aber wurde skandiert “Wir sind ein Volk”, und dann
Richtung 18.März 1990: "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen
wir zu ihr".
Wie ein Nachruf begegnet uns vor einem Jahr in Prenzlauer Berg jenes
enigmatische Plakat, dessen Urheberschaft weiter im Dunkeln bleibt, und das von
naiven Journalisten- und Politikergemütern als ein Statement gegen "Schwaben"
missinterpretiert wurde, in Wahrheit aber das Scheitern jener Einigungsbemühung
ausspricht:
„Wir sind ein Volk! Und ihr seid ein anderes. Ostberlin, 9. November 2009”
Die Demonstration nun, die dem Vortrag Ein Fall der Mauer in den Köpfen am
übernächsten Tag folgt, Fünf vor zwölf wird es sein, beginnt und endet am "Platz
des 18. März": dieser Platz, von dem aus am 9.November 1989 die Massen die
Mauerkrone erstürmt haben - diese Bilder haben sich unauslöschlich in die
kollektive Erinnerung eingebrannt - wurde erst Ende der 90iger Jahre so benannt:
nach langer politischer Diskussion wurde ausdrücklich der Bezug sowohl zu den
Ereignissen des Jahres 1848 wie jenen des Jahres 1990, hergestellt!
Mauerfall Reloaded - diesmal soll eine immaterielle Mauer, nämlich die in den Köpfen, fallen. Erkennen worin diese Mauer besteht: dieser Bemühung sich zu unterziehen, wird an diesem Abend gemeinsam mit dem Vortragenden die Aufgabe sein.
Zwischen dem Vortragsort und dem ehemaligen Todesstreifen am heutigen Mauerpark sollen nun neue materielle Mauern entstehen.
Und jene Menschen, die nun darüber nachdenken, wie diese bedrohte Erde freigekauft werden kann, um sie wieder der Öffentlichkeit, nicht mehr als der Güterbahnhof, der hier einst war, sondern nun als Gemeingut Welt-Bürger-Park zur Verfügung zu stellen, finden es mehr als passend, dass dieser Vortrag in der Freien Schule am Mauerpark stattfinden kann, dem Ort einer Pädagogik, deren inneres Motiv die Frage sein könnte: befreit von was eigentlich ist solch eine Schule, und zu was wird sie dadurch frei?
Wie auch immer die Antwort auf diese Frage ausfallen wird, abgemacht scheint doch bereits, dass diese Schule bald, um des Profites Willen, mit Beton umstellt werden soll. Und dieser Beton soll sich auch auf dem benachbarten Eckspielplatz türmen, der so wichtig für die interkulturelle Aufgabe dieser Schule ist, und dessen Eigentümer, die Stadt Berlin, ihn dem Investor Vivico Real Estate zur Bebauung überlassen will, - wie dieser Verwalter des Gemeingutes sich ja auch schon angemaßt hat, unser Wasser zu privatisieren.
In diesem Spannungsfeld wird Ralph Boes versuchen, diese Frage ins Auge zu fassen: Freie Schulen für freie Menschen - Warum ein bedingungsloses Grundeinkommen die freien Schulen braucht.
Und dann gibt es in der Grundeinkommensbewegung noch jenes Bild der Krönungswelle:
"Wenn wir die Strömungen für Volkssouveränität und Grundeinkommen zusammenfließen lassen und uns alle am 6.11.2010 in Berlin bei Unternimm das Jetzt! treffen, ist das Votum unübersehbar", wird auf der website kroenungswelle.net verheißen.
Diese Krone, sie ist im Berliner Bären-Wappen zu finden, und auch die Mauer, vor der die Rede ist; und genau betrachtet ist da auch ein verschlossenes Tor zu erkennen - vielleicht fällt die Mauer ja schon, wenn wir an dieser Türe rütteln.
Was mag uns der vierte, der sechste und der achte November, 21 Jahre nach dem Mauerfall, alles eröffnen?
Finden wir es heraus, indem wir unsere Versammlungsfreiheit nutzen, eines jener Grundrechte, um die 1848 gekämpft wurde, so wie unsere MitstreiterInnnen in Stuttgart und wo auch immer in der Welt, die dieses wagen.