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Sehr geehrter Herr Dr. ....
herzlichen Dank für die Anregung, die Klage zurückzunehmen. Ich werde das NICHT tun.
Auch gegen Ihre Absicht, in solchem Falle die Klage ohne mündliche Verhandlung als unzulässig zu erklären, lege ich meinen Widerspruch ein.
Ich widerspreche, dass die Klage unzulässig ist und ich lehne einen Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung ab.
Ich möchte Ihnen hiermit die Gründe nennen:
1.) Zur Unzulässigkeitserklärung:
In der Rechtsbehelfsbelehrung eines jeden Widerspruchsbescheides steht: "Gegen diese Entscheidung kann jeder Betroffene für sich innerhalb eines Monats (…) Klage erheben." Damit ist die Klage auf jeden Fall zulässig und muss inhaltlich behandelt werden.
2.) Zur Ablehnung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung:
Ein solcher Gerichtsbescheid kann nach § 105 SGG nur erfolgen, wenn "die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist."
Ob "der Sachverhalt geklärt" ist, wage ich zu bezweifeln … Dass die Sache "keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist" stimmt sicher nicht.
Ich möchte Ihnen die Gründe nennen:
a. Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in meiner Angelegenheit:
Am 26.05..2015 hat das Sozialgericht in Gotha die Sanktionen in Hartz IV für verfassungswidrig erklärt und in Folge eine Richtervorlage die §§ 31 f SGB II dem BVerfG vorgelegt - Beschluss des SG Gotha: - Aktenzeichen im BVerfG BvL 7/15
Zumindest das Sozialgericht Dresden hat sich inzwischen ebenfalls dem Urteil von Gotha angeschlossen.
Die Richtervorlage aus Gotha ist inzwischen zwar vom BVerfG als unzulässig abgewiesen worden, dies aber nur, weil die Klage-Voraussetzungen, die Gültigkeit der der Klage zugrunde liegenden Eingliederungsvereinbarungen, nicht ausreichend geprüft worden sind. S.: 1 BvL 7/15, Beschluss des BVerfG vom 06. Mai 2016
http://goo.gl/c6ZYFR,
Teil II, Absatz 2b. Hinsichtlich der Kritik des Gothaer Gerichtes an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregeln schreibt es aber, der Vorlagebeschluss werfe "durchaus gewichtige verfassungsrechtliche Fragen" auf
s.: 1 BvL 7/15, Beschluss des BVerfG vom
06. Mai 2016
und genüge auch in der Form den Anforderungen des BVerfG:
"Das vorlegende Gericht hat sich mit dem Gewährleistungsgehalt des Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG und der Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichts zur Grundsicherung (vgl. BVerfGE 125, 175; 132, 134; 137, 34 sowie BVerfGK 5, 237; 17, 375) ausführlich auseinandergesetzt. (…) Das Gericht befasst sich daneben auch mit weiteren verfassungsrechtlichen Zweifeln sowie den seiner Ansicht entgegenstehenden Interpretationen der bisherigen bundesverfassungs-gerichtlichen Rechtsprechung. Auch setzt es sich mit den in Literatur und sozialgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Ansichten zur verfassungskonformen Auslegung der zur Prüfung vorgelegten Regelungen auseinander und verwirft diese vertretbar."
S.: 1 BvL 7/15, Beschluss des BVerfG vom
06. Mai 2016
- Ich möchte nun darauf hinweisen, dass der "durchaus gewichtige verfassungsrechtliche Fragen" aufwerfende und vom BVerfG auch in seiner Form akzeptierte Teil der Richtervorlage aus Gotha eben derjenige Teil ist, der allen meinen Klagen – auch der hier vorgelegten, zugrunde liegt.
Er ist als Gutachten auf meine Veranlassung und unter meiner Mitwirkung von Verfassungsrechtlern für mich geschrieben, später durch einen anderen Hartz-IV-Betroffenen dem Sozialgericht Gotha vorgelegt und vom Sozialgericht Gotha dann verwendet worden. Ich habe die Herstellung des Gutachtens besorgt, um den Richtern sowohl ihre Urteilsfindung als auch ihre Arbeit zur Begründung der Sache vor dem BVerfG zu erleichtern.
Spätestens seitdem das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass dieses Gutachten "durchaus gewichtige verfassungsrechtliche Fragen" aufwirft und auch die in Literatur und sozialgerichtlicher Rechtsprechung vertretenen Ansichten zur verfassungskonformen Auslegung der zur Prüfung vorgelegten Regelungen "vertretbar verwirft" (a.a.O.), ist nicht mehr anzunehmen, dass meine Klage "keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist".
Ein Gerichtsbescheid nach § 105 SGG ist spätestens seit diesem Urteil ohne Basis.
b. Zur Unabhängigkeit des Richters:
Sie begründen ihre Anregung, die Klage zurückzunehmen, mit der Tatsache, dass ich vor dem SG Berlin bereits mehrere abweisende Entscheidungen erhalten habe. Meines Wissens nach sind Richter unabhängig und nur dem Gesetz – aber nicht der Gruppenmeinung ihrer Behörde unterworfen. Und so habe ich das Recht, ein eigenes Urteil von Ihnen in der Sache zu erhalten.
c. Zur Häufung meiner Klagen:
Die Vielzahl der Prozesse hat zwei Ursachen.
Die eine ist, dass ich eine Normenkontrollklage anstrebe und davon ausgehe, dass, was ich zu sagen habe, gerade NICHT die Auffassung des überwiegenden Teils der Richter ist. Sonst hätte sich das Problem schon längst erledigt. Hinzu kommen Zeitprobleme, die es für den Richter schwer machen, sich tiefgründig mit der Sache zu beschäftigen. Und es existiert für den Richter natürlich auch ein nicht unerhebliches Karriereproblem. Bei der großen rechtlichen und auch politischen Dimension meiner Klage wäre es naiv anzunehmen, dass sich leicht ein Richter findet, der sich darauf einlassen will. Da ich aber davon abhängig bin, dass sich ein Richter der Sache annimmt, habe ich mich darauf eingerichtet, mehrere, bzw. viele Richter anzufragen.
Die zweite Ursache der Häufung der Klagen ist, dass ich Hartz IV tatsächlich für verfassungs- und menschenrechtswidrig halte und dementsprechend damit verfahre. Bis zur endgültigen Lösung meiner Frage durch Karlsruhe fallen die Sanktionen und die Prozesse gewissermaßen unabwendbar und automatisch an.
d. Zum Querulanzproblem:
Es könnte sein, dass man auf die Schiene geht, mich zu einem Querulanten abzustempeln. Die Art, wie Sie mir die Rücknahme der Klage empfehlen und mir für den Fall, dass ich sie nicht zurücknehme, gleich ihre Unzulässigkeit in Aussicht stellen, lässt jedenfalls in diese Richtung denken.
Zur Querulanz gehören allerdings
zwei Dinge:
Entschiedenheit in einer Sache, die auch die Probleme des Gegners würdigen kann (s. Punkt c) und deswegen von vorneherein davon ausgeht, dass mit einem einmaligen Prozess nicht zum Ziel gelangt werden kann, die mit Weitsicht davon ausgeht, dass etliche Prozesse notwendig werden, hat nichts mit Querulanz zu tun.
Dass mein Weg "nicht Erfolg versprechend" ist, ist schon durch den Einsatz der Verfassungsrechtler, die das Gutachten für mich geschrieben haben, dann durch die Annahme meines Gutachtens durch die Sozialgerichte in Gotha und Dresden, in bisher bedeutendster Form aber durch das Urteil des BVerfG widerlegt.
Die Unbelehrbarkeit sehe ich erst einmal auf IHRER Seite!
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Zum letzten Punkt hänge ich Ihnen Ausschnitte eines Berufungsschreibens zum LSG an, in dem die, pardon, Unzulänglichkeit der Arbeit ihrer Kollegen, die Sie zur Basis ihrer Entscheidung genommen haben, beschrieben ist.
Vielleicht sehen Sie ja wie ich eine gewisse Notwendigkeit, in Ihrem Urteil auch aus den dort beschriebenen Punkten Konsequenzen zu ziehen …
Mit freundlichem Gruß, Ralph Boes
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