Ralph Boes

Gedanken vom Kosmos

Die Welt im Lichte idealischer Naturwissenschaft

  

 

  

 

Kapitel 7

 

VOM  WESEN  DER  WELT
 

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A:  Die physische und die geistige Struktur des Kosmos

 

 

 

Nach diesen umfangreichen Darstellungen über die Entwicklung des Kosmos ist es sicher interessant, auch einmal einen Blick darauf zu werfen, was der Kosmos eigentlich IST.

 

Im Vorangegangenen ist natürlich vielfach schon ausgesprochen worden, dass er mit dem Materie-Trümmerfeld, als welchen ihn uns die akademische Naturwissenschaft unserer Tage vorstellt, nicht viel Gemeinsamkeit hat. Seine Materie ist nicht ein Spuk im leeren Raum. Sie verhält sich zu seinem wahren Wesen ungefähr so, wie sich die (materielle) Schrift eines Buches zum Ganzen dieses Buches (zu welchem sein seelisch-geistiger Inhalt als sein Bedeutendstes natürlich mit hinzugehört) verhält. Nur als einen letzten, äußersten Abglanz des in ihm waltenden organischen, seelischen und geistigen Lebens sehen wir die Materie des Kosmos an.

 

Nun, ein Urteil in dieser Art geht natürlich schon zwanglos aus dem bisher Entwickelten hervor. Außerdem stellt es, so knapp wie hier geäußert, nichts nennenswert Neues in der Weltgeschichte dar. Schließlich haben schon frühere Zeiten die Sterne als "Schrift" oder die Natur als "Buch" zu entziffern versucht. Und wenn wir nichts weiter mehr zu erzählen hätten, würde unsere Schrift an dieser Stelle beendet sein.

 

Sehr viel konkreter wird das Urteil über das Wesen des Kosmos aber dann, wenn man ihn nochmals ganz vom Standpunkt des Nicht-Wissens aus besieht. Bisher haben wir ihn ja nur von den Bahnen seiner Entwicklung her erfasst. Und auf diesen Bahnen kommt man kaum weiter als bis zu dem hier gegebenen Urteil an sein Wesen heran. Eine weitere Dimension von Einsicht über sein Wesen ergibt sich aber sofort, wenn man ihn dazu noch so, wie er der unmittelbaren Beobachtung erscheint, besieht.

 

Auch bei der Bibel, um nur irgendein allseits bekanntes Buch zu nennen, ist es ja nicht dasselbe, ob ich über die Geschichte ihrer Entstehung oder ihren unmittelbar mir vorliegenden Inhalt rede. Zwei unter Umständen sehr verschiedene Geschichten werden da zunächst zu erzählen sein. Und doch wird die jeweils eine davon in der jeweils anderen ihre Ergänzung und Erhellung finden.

 

In gleicher Weise ist das natürlich auch beim Kosmos der Fall. Auch hier ist es etwas anderes, ob ich den Spuren seiner Entstehung folge oder ihn so erfasse, wie er heute vor mir dasteht. Doch auch hier wird letztlich dasjenige, was der eine Gesichtspunkt zu Tage fördert, von dem, was der andere bringt, ergänzt, gestützt und begründet sein.

 

Baden wir uns also in den Fluten des Vergessens. Begraben wir erst einmal die Erinnerung an alle bisher geleistete Gedankenarbeit und gehen wieder so frisch, wie es eigentlich nur dem Kinde - oder dem wirklich freien Geiste! - zusteht, an die Erforschung des Kosmos heran. Unabhängig von jedem bereits erlangten Wissen über ihn und doch mit aller geistigen Auffassungskraft gerüstet fragen wir uns diesmal, was der Kosmos IST;  und dabei überlassen wir es den aus diesem Gesichtspunkt zutage geförderten Tatsachen selber, das von uns bereits Gefundene auf ihre Weise wieder auszusprechen.

 

Um mit der Frage nach dem Wesen des Kosmos aber nicht gleich ins Unendliche und Ungewisse zu schweifen, fassen wir da zunächst die Erde in den Blick.

 

Die Erde ist natürlich zunächst ein Ding im Raum. Wer sie von außen beobachten und beschreiben wollte, würde z.B. finden, dass sie sich in gewisser Beziehung verhält wie auch andere Dinge im Raum: Wie sie die Sonne umrundet, wie sie den Mond um sich führt, gewisse Färbungen ihrer Oberfläche, wie sie das Sonnenlicht reflektiert - solche und tausenderlei Dinge mehr gehen alle aus ihrer materiellen Beschaffenheit hervor. Gäbe es einen außenstehenden Beobachter, und wäre der bloß Physiker oder Chemiker, würde er vieles an dieser Erde erklärlich finden. Und doch würde ihm nicht alles daran verständlich sein. Wenn er vom Leben auf der Erde keine Ahnung hätte, würde er z.B. nicht verstehen, warum der subtropische Gürtel der Erde im Frühling grünt, im Herbst vergilbt usf.. Auch die dynamische, ungleichgewichtige Beschaffenheit der Atmosphäre und alles weitere, was vom organischen Leben auf der Erde herrührt, würde ihm ein Rätsel sein.

 

Nun lassen wir unseren Beobachter auch dieses schon begriffen haben - er ist mit seinem Rätseln dennoch nicht am Ende. Was er an der Erde wahrnimmt, übersteigt in manchem auch solches Verständnis noch. Denken wir uns nur, er sähe die schwarzen Ölwolken, die sich im Golfkrieg von Arabien bis Indien erstreckten. Oder die Blitze der Atombombenversuche der Supermächte. Wie sollte er sich diese Erscheinungen erklären? Aus welchen Gesetzlichkeiten gingen ihm diese hervor?

 

Wir sehen, er müsste auch einen Begriff von den seelischen und geistigen Verhältnissen auf der Erde haben, von der Geistes- und Sozialgeschichte der Menschheit, ihrer Wissenschaft und ihrer Politik, um derlei Dinge noch zu verstehen.

 

 

 

Einiges müsste also geleistet sein, um nur die äußere Erscheinung der Erde ein wenig zu begreifen. Und doch hätte unser angenommener Beobachter, wenn er sich die Dinge selbst bis dahin klargemacht hätte, die Sache noch lange nicht von ihrer wesentlichsten Seite her erfasst. Alle bedeutenderen Verhältnisse der Erde entzögen sich noch immer seinem Blick. Gehen wir einen Schritt näher an diese heran:

 

Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, Einstein usw. haben die Bewegung der Erde um die Sonne erforscht. Nicht nur wie diese Bewegung verläuft, auch warum sie so verläuft, haben sie nach und nach entdeckt.

 

Wenn unser Beobachter davon einen Eindruck haben könnte, wie sähe die Erde dann für ihn aus?

 

Ein Wissen um das Was und Wie und um die Gründe dieser Bewegung wäre für ihn dann auf der Erde vorhanden. Die Erde würde für ihn ein Ding, das ein Erleben seiner Bewegung und ein Verständnis seiner Bewegung in sich hat. Nicht überall auf der Erde, aber immerhin in einem ihrer Glieder, im Menschen, träte dieses Verständnis der Bewegung für ihn auf. Und zu einem je tieferen und umfassenderen Begreifen der Erde der auf der Erde befindliche Mensch kommt, desto mehr wäre das für unseren Beobachter der Fall: dass ein Erleben und Verständnis dieser Erde auf der Erde selbst vorhanden ist.

 

Nun gehören ja für unseren Beobachter die Erkenntnisse (Ideen) des Menschen so unmittelbar zur Erde hinzu wie alles andere an ihr. Er, der Beobachter, tritt von außen an die Erde heran, und da findet er neben dem Erdball, den Meeren, der Atmosphäre, den Pflanzen, Tieren, Menschen usw., neben Gefühlen, Glaubensinhalten, Meinungen usw. auch die Erkenntnisse (Ideen) des Menschen vor. Und es gibt zunächst keinen Grund, irgendeines dieser Teile als isolierte Einzelheit zu betrachten. Die Erde zu begreifen, wie sie vorliegt ist ja sein Problem. Und da schaut er dann, nachdem er sich über ihre Teile Klarheit verschafft hat, auf das Zusammenwirken dieser Teile hin.

 

Indem er dieses täte, wäre die Erde für ihn plötzlich ein ganz besonderes Objekt. Für alles, was er an ihr wahrnähme, träten ihm in den Ideen des Menschen zugleich auch die Erklärungen und Gründe hinzu. D.h., er bräuchte die Erde nicht mehr selbst mühselig zu erforschen, um hinter ihre Geheimnisse zu kommen. In den (naturwissenschaftlich eroberten) Gedanken des Menschen fände er alles an ihr erklärt. Und so würde ihm die Erde, wenn sie auch physisch undurchsichtig ist, geistig doch "durchsichtig" erscheinen.

 

Die Selbsterklärunq der Erde ginge für ihn von den Gedanken des Menschen aus. [1]

 

 

 

Natürlich ist jetzt einzuwenden: Was geht es die Erde an, was in den Köpfen der Menschen spukt? Und wie kommt unser außenstehender Beobachter dazu, die Gedankeninhalte des Menschen so der Erde zuzusprechen? Sind die Gedanken des Menschen nicht von ihm selbst erzeugt und haben ausschließlich für sein eigenes Inneres Bedeutung?

 

Er würde sagen: Nein! In den Gedanken des Kopernikus, Kepler usw. finde ich die Bewegung der Erde beschrieben und erklärt. Das Was, Wie und Warum dieser Bewegung leuchtet mir aus ihnen hervor. In diesem Sinne gehören solche Gedankeninhalte des Menschen unmittelbar der Erde und nicht dem Menschen, der bloß ihr Offenbarer ist, an.

 

- Und er hätte damit Recht! Jeder der auf der Erde befindlichen Menschen, der wirklich Entdecker ist, weiß sicher, dass seine Einsichten und Gedanken nicht aus ihm entstammen, sondern aus den Dingen und Verhältnissen, die er erforscht. Im Erkennen kann der Mensch die engen Grenzen "seines" Inneren übersteigen und zum zunächst verborgenen "Inneren der Außenwelt", zum Erleben und Begreifen der in ihr wirkenden Gedanken und Wahrheiten, ihrer tieferen Verhältnisse, Gründe und Gesetze kommen.

 

Besonders das naturwissenschaftliche Erkenntnisstreben baut auf dieser Tatsache auf. Und so hat ein aus wirklichen Entdeckungen gehobenes, naturwissenschaftliches Weltverständnis im Menschen weniger mit diesem Menschen als vor allem mit den Dingen zu tun, von denen es spricht. Nur die Form solcher Gedanken, die Art und Weise, wie ein Entdecker etwa von seinen Entdeckungen berichtet, geht vom Menschen selber aus. Der Inhalt seiner Gedanken sind die Tatsachen und Gründe der Erscheinungen der Welt.

 

Aus diesem Grunde rechnet unser Beobachter die naturwissenschaftlichen Gedanken berechtigt der Erde zu. Er findet an der Erde einerseits ihre Erscheinungen, andererseits in den Gedanken des Menschen auch deren Erklärungen vor. Beides gehört für ihn gleichermaßen der Erde zu. Und zu je tieferen Erlebnissen und Erklärungen über die Erde der auf der Erde befindliche Mensch kommt, desto vollkommener, geistig-durchsichtiger wird für unseren Beobachter die Erde, denn desto mehr tritt an ihr zu ihren Erscheinungen auch die Offenbarung all ihrer Verhältnisse und Gründe auf.

 

 

 

Nun ist die Sache noch immer nicht voll erfasst. Nimmt man nämlich hinzu, dass durch das menschliche Innere auch das Erlebnis von beidem - von Erscheinung und Erklärung der Erde - auf der Erde selbst vorhanden ist, dass dieses Erlebnis also nicht nur bei unserem Besucher auftritt, sondern sogar der Erde selber innewohnt, dann hätte unser Besucher die Erde sogar als ein sich all ihrer Verhältnisse, Gründe und Erscheinungen vollbewusstes Wesen anzusehen. D.h., nicht nur wie ein Ding, von dem ein Wissen über sich ausstrahlt, das selber für dieses Wissen aber unempfänglich ist, sondern vom Erlebnis dieses Wissens selber durch und durch erfüllt würde sie ihm dann erscheinen.

 

Was damit angedeutet ist, tritt noch deutlicher hervor, wenn man die Stellung des Menschen in der Erdnatur erfasst. Die beschriebene Vollbewusstheit der Erde tritt ja nicht in jedem ihrer Bereiche, sondern nur im Menschen auf. [2] Gehört nun der Mensch nicht wesensgemäß ebenso zur Erde hinzu, wie schon seine Erkenntnisse zu ihr hinzugehören, würde der Satz von der Vollbewusstheit der Erde nicht haltbar sein. Sie würde von Vollbewusstheit dann nicht durchdrungen, sondern bestenfalls davon besiedelt sein.

 

Im Gegensatz zur heute herrschenden kosmologischen Auffassung, die von den Gliedern der Erde nur den materiellen Erdball sieht, stellt die Erde aber einen höchst komplizierten Organismus dar. Und zu diesem Organismus gehört der Mensch auf bedeutende Weise hinzu. Er ist ein Glied des Organismus Erde, so, wie auch der Erdball nur ein Glied dieses Organismus und nicht ein für sich dastehendes Ganzes ist.

 

Letzterer hat ungefähr die Funktion für das Ganze, die das Skelett im Einzelmenschen hat. Er gibt dem Ganzen Stütze und trägt es durch den Raum. Der Mensch aber gibt den Schauplatz des Selbstverständnisses des Ganzen ab.

 

Wir dürfen deshalb sagen:

Der Mensch ist das Organ der Erde, in dem sie über sich zur vollen Bewusstheit kommt.
Im naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess gibt er den Schauplatz des Selbstverständnisses der Erde ab.

 

Wenn man nun hinzunimmt, dass auch der Einzelmensch ein Organ besitzt, in dem er über sich zum Selbstverständnis kommt - beim Einzelmenschen ist dies das Gehirn! - so dürfen wir sagen:

Der Mensch verhält sich zur Erde, wie das Gehirn sich zum Einzelmenschen verhält: Der Mensch ist das "Gehirn" der Erde.

 

 

 

Wir sind es ja gewohnt, unsere Erde als "Planeten" zu bezeichnen. Damit meinen wir gewöhnlich, dass sie ein nicht-leuchtender kugelförmiger Himmelskörper auf einer Umlaufbahn um einen anderen Himmelskörper ist. So richtig das auf der einen Seite ist, so ist diese Vorstellung doch geeignet, uns die Besonderheiten dieser Erde zu verhüllen. Denn es wird durch diese Bezeichnung die Suggestion mit aufgeworfen, dass die Erde ein bloß materielles Etwas sei.

 

- Ein Stein ist sicherlich ein kosmisches Objekt, das nicht selber leuchtet. Ein ebensolches Objekt ist aber auch Goethe. Wenigstens in physischer Hinsicht ist das so. In der Kategorie physisch-leuchtend/nicht-leuchtend würden sie beide als gleichartig aufgefasst. Dennoch sind sie ganz verschiedener Natur. In ähnlicher Weise liegt ein beträchtlicher Unterschied etwa zwischen der Erde und dem Mond. Wenn auch beide, da sie "nicht-leuchtende" Sterne sind, als Planeten bezeichnet werden dürfen, ist doch die Erde - als ein ihrer inneren Verhältnisse und Gründe voll bewusst werdendes und demgemäß organisiertes Wesen - schon eher einem Goethe, der Mond nur einem Steine zu vergleichen.


 

Nun, für die Planeten solche Unterscheidungen zu treffen sind wir im allgemeinen nicht gewohnt. Unsere Kosmologie begnügt sich derzeit noch damit, die Objekte des Himmels rein physikalisch-chemisch aufzufassen. Und da drängt sie uns mit der Zuordnung der Erde zu den "Planeten" auch gleich die Auffassung mit auf, dass die Erde im Wesentlichen materieller Natur sei. Der materielle Erdball, den wir von unserem Standpunkt nur als ein "Glied" der Erde, als ein Glied unter weiteren, bezeichnen dürfen, wird von dieser Auffassung schon für das Ganze der Erde gehalten. Und ohne die Beziehungen weiter zu untersuchen, in denen dieser Ball mit den übrigen Erscheinungen der Erde steht, sieht sie alles Leben auf der Erde als eine bedeutungslose Randerscheinung an.

 

Zu dieser Ansicht kommt sie aber nur, weil sie die Erscheinungen der Erde bloß äußerlich erfasst. Man sieht, das Leben spielt sich auf der Oberfläche der Erde ab und hat quantitativ für die Kugel keine Bedeutung. Weder kann es ihre Laufrichtung durch den Raum noch sonst etwas an ihr verändern. Quantitativ übermächtig steht das Materielle der Erde so zunächst im Blick.

 

Vorurteilsfreie Beobachtung geht aber über die äußere Erscheinung der Erde auch auf die inneren Beziehungen der an ihr aufgefundenen Teile ein. Indem sie dies tut, bekommt die Erde ein anderes Gesicht. Die Teile der Erde sind nicht innerlich beziehungslos zusammengehäuft, wie es etwa die Teile auf einer Müllhalde sind. Sie wirken für eine höhere Einheit zusammen und stellen Glieder eines Organismus dar. Und dieser Organismus besitzt neben einem "Skelett" auch ein "Gehirn", und er beinhaltet neben seiner äußeren Erscheinung auch das Erlebnis und Verständnis seiner selbst.

Schlicht: als ein geistiges Wesen ist die Erde somit anzusehen.

 

 

 

Wie anders, als was unsere herkömmliche, nur an den gröbsten Erscheinungen haftende, für alles Wesentliche blinde Kosmologie uns über die Erde weismachen will, sieht schon vom Beginne her aus, was eine Naturwissenschaft, die vorurteilslos ist und sich überdies selbst als ein Faktum auf der Erde mitdenkt (denn anders hätten wir von der geistigen Seite der Erde nichts bemerkt) über die Erde darzustellen hat. Und was da bisher dargestellt wurde, ist wirklich nur ein allererster Beginn. Zum einen ist natürlich der Organismus der Erde sehr viel reichhaltiger als in "Gehirn" und "Skelett" gegliedert. Zum anderen sprechen sich aber auch in der Physiognomie der Erde, der äußeren Verteilung ihrer menschlichen Rassen und Kulturen, ihrer Fauna und Flora, der Verteilung ihrer Stoffe, der Mineralien, Metalle, Gase usf., ja selbst in der Gliederung und Lage ihrer Kontinente und Ozeane durchaus die ihr zugrundeliegenden seelisch-geistigen Tatsachen aus.

 

Es braucht solche Darstellung hier aber nicht weiter fortgeführt zu werden. Denn nur auf das ganz und gar Prinzipielle dieser Erde kam es hier zunächst an. Und so sind z.B. mit ihrer Scheidung in "Skelett" und "Gehirn" nur die äußersten Pole ihres Organismus erst einmal charakterisiert. Man wird aber auch über das Restliche dieser Erde leicht zur Klarheit kommen, wenn man ihre Teile nicht äußerlich beziehungslos aneinandergereiht, sondern in ihren wahren inneren Verhältnissen denkt.

 

 

 

Was von diesem Gesichtspunkt über den Kosmos im Ganzen zu sagen ist, sei hier auch noch angefügt.

 

Zunächst ist klar: Wenn die Erde als ein durchlebtes, durchfühltes, sich selbst verstehendes und erklärendes Wesen schon eher einem Goethe als einem Steine gleicht, was wird dann im Einzelnen erst einmal über den Mars, die Venus, ja: die Sonne usw. zu berichten sein... Welche Repräsentationen, Offenbarungen, Wendungen, Abschattierungen des Kosmisch-Seelischen und Kosmisch-Geistigen werden wir in ihnen und in ihrem Zusammenspiele einmal zu entdecken haben. Und als welch donnerndes Ereignis wird dann der Kosmos einmal vor uns stehen...

 

Doch legen wir zu solcher Zukunftsaussicht hier erst einmal den festen Grund. Unter Absehung aller übrigen Fragen schauen wir uns hier erst einmal das Verhältnis an, in welchem die Erde zum übrigen Kosmos steht. Bisher haben wir sie ja nur für sich, herausgelöst aus dem kosmischen Umfeld, betrachtet. Wie steht sie aber in diesem kosmischen Umfeld drinnen?

 

Von der Erde aus wird - durch den Menschen - ja auch der Kosmos erlebt und begriffen. Dadurch ist die Erde natürlich auch als der Schauplatz von Erlebnis und Verständnis des Kosmos anzusehen. Also ist auch der Kosmos ein Wesen mit "Gehirn". Auch er hat einen Ort, in dem es zum Erlebnis und Verständnis seiner Verhältnisse, Gesetze, Gründe usw. kommt. Und dieser Ort im Kosmos ist die Erde!

 

In seelisch-geistiger Hinsicht steht die Erde damit tatsächlich im Mittelpunkt der Welt! - Äußerlich besehen steht sie dort natürlich nicht, so wenig der Mensch als das "Gehirn der Erde" im Mittelpunkt des Erdballs oder das Gehirn des Menschen im Mittelpunkt des physischen Menschenleibes steht. Blicken wir aber darauf, wie Gehirn, Mensch, Erde jeweils Schauplatz der Vollbewusstheit ihrer Trägerorganismen sind, so sehen wir sie als Zentralorgane dieser Trägerorganismen an.. Nicht äußere, physische, sondern "innere", seelisch-geistige Mittelpunktsstellung haben sie da.

 

Im Zuge einer äußerst einseitigen Entwicklung der Medizin, die kaum mehr wirklich heilen kann, weil sie das Leben nicht versteht, hat man ja begonnen, erkrankte Organe einfach auszuwechseln. Nur das Gehirn, das wechselt man nicht aus. Einerseits sind die Schwierigkeiten dazu noch zu groß (man sieht daran, wie sehr gerade dieses Organ mit dem Ganzen verflochten ist), andererseits würde man durch diese Auswechslung des bedeutendsten von allem, des inneren Zentrums, der bewussten eigenen Existenz und Identität beraubt.

 

Wie das Gehirn in seelisch-geistiger Hinsicht das Zentralorgan des Einzelmenschen ist, so ist in seelisch-geistiger Hinsicht der Mensch als das Zentralorgan der Erde, die Erde als das Zentralorgan des Kosmos anzusehen.

 

 

 

Gleich mag sich daran die Frage knüpfen, ob es im Kosmos noch weitere, der Erde qualitativ gleichzustellende "Zentralorgane" gibt. Nach der oberflächlichen Auffassung unserer Zeit wäre diese Frage etwa gleichbedeutend mit der anderen, ob es noch weitere "von intelligenten (erkennenden) Wesen bewohnte Planeten" - vielleicht auch Gestirne und dergleichen - gibt.

 

Und da ist zu sagen: Warum eigentlich nicht? Wir sagten doch, dass "der MENSCH" das Organ der Erde ist, in dem sie über sich zur vollen Bewusstheit kommt und dass er in dieser Funktion im "Mittelpunkt" der Erde steht.

 

Nun, dieser Satz ist gültig, obwohl wir derzeit 6 Milliarden Menschen auf der Erde sind und alle Eltern, Voreltern usw. und größtenteils auch Nachkommen haben... Warum sollte derartiges nicht auch für den Kosmos zu denken sein? Wenn es vielleicht auch noch weitere sich selbst und den Kosmos begreifende Sterne und Planeten gibt - in Hinsicht auf ihre Stellung im Ganzen wären sie dann alle gleich. Wie etwa ein Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, ja auch ein Einstein, sich nur von verschiedenen Gesichtspunkten aus derselben einen Wahrheit über die Erdbewegung nähern, brächten solche Sterne und Planeten nur von verschiedenen Gesichtspunkten aus die eine große Wahrheit über den Kosmos herauf. Obwohl sie räumlich und vielleicht auch zeitlich auseinander liegen, würden sie, als Offenbarer des kosmischen Selbstverständnisses, von gleichem Rang und gleicher Bedeutung sein.

 

In einem Kosmos, in dem es darauf ankommt, zu seinem Dasein auch das Verständnis seines Wesens und Wirkens in sich zu hegen, wären sie alle "Zentralorgane" (sprich: in kosmischer "Mittelpunktsstellung"), würden sie alle Träger des Selbstverständnisses des Kosmos sein.

 

 

 

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 © Copyright dieses Textes bei Ralph Boes und Christoph Möllmann


 


[1] Pierre Teilhard de Chardin, der eine Ahnung von diesem Sachverhalt hatte, schrieb in seinem wahrhaft bedeutenden Buch "Der Mensch im Kosmos ", dass einem Marsbewohner als das erste charakteristische Zeichen unseres Planeten nicht so sehr das Blau seiner Meere oder das Grün seiner Wälder, sondern vor allem das "Phosphoreszieren seiner Denkkraft" auffallen müsste.  (P.T.de Chardin, "Der Mensch im Kosmos", S. 185)

[2] Auch die Tiere erleben  allerdings die Verhältnisse der Erde. Sie erleben Tag/Nacht, Sommer/Winter, das Aufblühen und Absterben der Natur. Aber sie erleben diese Dinge nicht in der dem Menschen möglichen, voll-bewussten Form.