Ralph Boes
Gedanken vom Kosmos
Die Welt im Lichte idealischer Naturwissenschaft
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Kapitel 7
VOM WESEN DER
WELT
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A: Die physische und die geistige Struktur des Kosmos
Nach diesen
umfangreichen Darstellungen über die Entwicklung des Kosmos ist es
sicher interessant, auch einmal einen Blick darauf zu werfen, was der
Kosmos eigentlich IST.
Im Vorangegangenen
ist natürlich vielfach schon ausgesprochen worden, dass er mit dem
Materie-Trümmerfeld, als welchen ihn uns die akademische Naturwissenschaft
unserer Tage vorstellt, nicht viel Gemeinsamkeit hat. Seine Materie ist
nicht ein Spuk im leeren Raum. Sie verhält sich zu seinem wahren Wesen
ungefähr so, wie sich die (materielle) Schrift eines Buches zum Ganzen
dieses Buches (zu welchem sein seelisch-geistiger Inhalt als sein
Bedeutendstes natürlich mit hinzugehört) verhält. Nur als einen letzten,
äußersten Abglanz des in ihm waltenden organischen, seelischen und
geistigen Lebens sehen wir die Materie des Kosmos an.
Nun, ein Urteil in
dieser Art geht natürlich schon zwanglos aus dem bisher Entwickelten
hervor. Außerdem stellt es, so knapp wie hier geäußert, nichts nennenswert
Neues in der Weltgeschichte dar. Schließlich haben schon frühere Zeiten
die Sterne als "Schrift" oder die Natur als "Buch" zu entziffern versucht.
Und wenn wir nichts weiter mehr zu erzählen hätten, würde unsere Schrift
an dieser Stelle beendet sein.
Sehr viel konkreter
wird das Urteil über das Wesen des Kosmos aber dann, wenn man ihn nochmals
ganz vom Standpunkt des Nicht-Wissens aus besieht. Bisher haben wir ihn ja
nur von den Bahnen seiner Entwicklung her erfasst. Und auf diesen Bahnen
kommt man kaum weiter als bis zu dem hier gegebenen Urteil an sein Wesen
heran. Eine weitere Dimension von Einsicht über sein Wesen ergibt sich
aber sofort, wenn man ihn dazu noch so, wie er der unmittelbaren
Beobachtung erscheint, besieht.
Auch bei der Bibel,
um nur irgendein allseits bekanntes Buch zu nennen, ist es ja nicht
dasselbe, ob ich über die Geschichte ihrer Entstehung oder ihren
unmittelbar mir vorliegenden Inhalt rede. Zwei unter Umständen sehr
verschiedene Geschichten werden da zunächst zu erzählen sein. Und doch
wird die jeweils eine davon in der jeweils anderen ihre Ergänzung und
Erhellung finden.
In gleicher Weise
ist das natürlich auch beim Kosmos der Fall. Auch hier ist es etwas
anderes, ob ich den Spuren seiner Entstehung folge oder ihn so erfasse,
wie er heute vor mir dasteht. Doch auch hier wird letztlich dasjenige, was
der eine Gesichtspunkt zu Tage fördert, von dem, was der andere bringt,
ergänzt, gestützt und begründet sein.
Baden wir uns also
in den Fluten des Vergessens. Begraben wir erst einmal die Erinnerung an
alle bisher geleistete Gedankenarbeit und gehen wieder so frisch, wie es
eigentlich nur dem Kinde - oder dem wirklich freien Geiste! - zusteht, an
die Erforschung des Kosmos heran. Unabhängig von jedem bereits erlangten
Wissen über ihn und doch mit aller geistigen Auffassungskraft gerüstet
fragen wir uns diesmal, was der Kosmos IST; und dabei überlassen
wir es den aus diesem Gesichtspunkt zutage geförderten Tatsachen selber,
das von uns bereits Gefundene auf ihre Weise wieder auszusprechen.
Um mit der Frage
nach dem Wesen des Kosmos aber nicht gleich ins Unendliche und Ungewisse
zu schweifen, fassen wir da zunächst die Erde in den Blick.
Die Erde ist
natürlich zunächst ein Ding im Raum. Wer sie von außen beobachten und
beschreiben wollte, würde z.B. finden, dass sie sich in gewisser Beziehung
verhält wie auch andere Dinge im Raum: Wie sie die Sonne umrundet, wie sie
den Mond um sich führt, gewisse Färbungen ihrer Oberfläche, wie sie das
Sonnenlicht reflektiert - solche und tausenderlei Dinge mehr gehen alle
aus ihrer materiellen Beschaffenheit hervor. Gäbe es einen außenstehenden
Beobachter, und wäre der bloß Physiker oder Chemiker, würde er vieles an
dieser Erde erklärlich finden. Und doch würde ihm nicht alles daran
verständlich sein. Wenn er vom Leben auf der Erde keine Ahnung hätte,
würde er z.B. nicht verstehen, warum der subtropische Gürtel der Erde im
Frühling grünt, im Herbst vergilbt usf.. Auch die dynamische,
ungleichgewichtige Beschaffenheit der Atmosphäre und alles weitere, was
vom organischen Leben auf der Erde herrührt, würde ihm ein Rätsel
sein.
Nun lassen wir
unseren Beobachter auch dieses schon begriffen haben - er ist mit seinem
Rätseln dennoch nicht am Ende. Was er an der Erde wahrnimmt, übersteigt in
manchem auch solches Verständnis noch. Denken wir uns nur, er sähe die
schwarzen Ölwolken, die sich im Golfkrieg von Arabien bis Indien
erstreckten. Oder die Blitze der Atombombenversuche der Supermächte. Wie
sollte er sich diese Erscheinungen erklären? Aus welchen Gesetzlichkeiten
gingen ihm diese hervor?
Wir sehen, er müsste
auch einen Begriff von den seelischen und geistigen
Verhältnissen auf der Erde haben, von der Geistes- und Sozialgeschichte
der Menschheit, ihrer Wissenschaft und ihrer Politik, um derlei Dinge noch
zu verstehen.
Einiges müsste also
geleistet sein, um nur die äußere Erscheinung der Erde ein wenig zu
begreifen. Und doch hätte unser angenommener Beobachter, wenn er sich die
Dinge selbst bis dahin klargemacht hätte, die Sache noch lange nicht von
ihrer wesentlichsten Seite her erfasst. Alle bedeutenderen Verhältnisse
der Erde entzögen sich noch immer seinem Blick. Gehen wir einen Schritt
näher an diese heran:
Kopernikus, Kepler,
Galilei, Newton, Einstein usw. haben die Bewegung der Erde um die Sonne
erforscht. Nicht nur wie diese Bewegung verläuft, auch warum sie so
verläuft, haben sie nach und nach entdeckt.
Wenn unser
Beobachter davon einen Eindruck haben könnte, wie sähe die Erde
dann für ihn aus?
Ein Wissen um das
Was und Wie und um die Gründe dieser Bewegung wäre für ihn dann auf der
Erde vorhanden. Die Erde würde für ihn ein Ding, das ein Erleben
seiner Bewegung und ein Verständnis seiner Bewegung in sich hat.
Nicht überall auf der Erde, aber immerhin in einem ihrer Glieder, im
Menschen, träte dieses Verständnis der Bewegung für ihn auf. Und zu einem
je tieferen und umfassenderen Begreifen der Erde der auf der Erde
befindliche Mensch kommt, desto mehr wäre das für unseren Beobachter der
Fall: dass ein Erleben und Verständnis dieser Erde auf der Erde selbst
vorhanden ist.
Nun gehören ja für
unseren Beobachter die Erkenntnisse (Ideen) des Menschen so unmittelbar
zur Erde hinzu wie alles andere an ihr. Er, der Beobachter, tritt von
außen an die Erde heran, und da findet er neben dem Erdball, den Meeren,
der Atmosphäre, den Pflanzen, Tieren, Menschen usw., neben Gefühlen,
Glaubensinhalten, Meinungen usw. auch die Erkenntnisse (Ideen) des
Menschen vor. Und es gibt zunächst keinen Grund, irgendeines dieser Teile
als isolierte Einzelheit zu betrachten. Die Erde zu begreifen, wie sie
vorliegt ist ja sein Problem. Und da schaut er dann, nachdem er sich über
ihre Teile Klarheit verschafft hat, auf das Zusammenwirken dieser Teile
hin.
Indem er dieses
täte, wäre die Erde für ihn plötzlich ein ganz besonderes Objekt. Für
alles, was er an ihr wahrnähme, träten ihm in den Ideen des Menschen
zugleich auch die Erklärungen und Gründe hinzu. D.h., er bräuchte die Erde
nicht mehr selbst mühselig zu erforschen, um hinter ihre Geheimnisse zu
kommen. In den (naturwissenschaftlich eroberten) Gedanken des Menschen
fände er alles an ihr erklärt. Und so würde ihm die Erde, wenn sie
auch physisch undurchsichtig ist, geistig doch "durchsichtig" erscheinen.
Die
Selbsterklärunq der Erde ginge für ihn von den Gedanken des Menschen
aus.
[1]
Natürlich ist jetzt
einzuwenden: Was geht es die Erde an, was in den Köpfen der
Menschen spukt? Und wie kommt unser außenstehender Beobachter dazu, die
Gedankeninhalte des Menschen so der Erde zuzusprechen? Sind die
Gedanken des Menschen nicht von ihm selbst erzeugt und haben
ausschließlich für sein eigenes Inneres Bedeutung?
Er würde sagen:
Nein! In den Gedanken des Kopernikus, Kepler usw. finde ich die
Bewegung der Erde beschrieben und erklärt. Das Was, Wie und Warum
dieser Bewegung leuchtet mir aus ihnen hervor. In diesem Sinne gehören
solche Gedankeninhalte des Menschen unmittelbar der Erde und nicht
dem Menschen, der bloß ihr Offenbarer ist, an.
- Und er hätte damit
Recht! Jeder der auf der Erde befindlichen Menschen, der wirklich
Entdecker ist, weiß sicher, dass seine Einsichten und Gedanken nicht
aus ihm entstammen, sondern aus den Dingen und Verhältnissen, die er
erforscht. Im Erkennen kann der Mensch die engen Grenzen "seines" Inneren
übersteigen und zum zunächst verborgenen "Inneren der Außenwelt", zum
Erleben und Begreifen der in ihr wirkenden Gedanken und
Wahrheiten, ihrer tieferen Verhältnisse, Gründe und Gesetze kommen.
Besonders das
naturwissenschaftliche Erkenntnisstreben baut auf dieser Tatsache auf. Und
so hat ein aus wirklichen Entdeckungen gehobenes, naturwissenschaftliches
Weltverständnis im Menschen weniger mit diesem Menschen als vor allem mit
den Dingen zu tun, von denen es spricht. Nur die Form solcher
Gedanken, die Art und Weise, wie ein Entdecker etwa von seinen
Entdeckungen berichtet, geht vom Menschen selber aus. Der Inhalt
seiner Gedanken sind die Tatsachen und Gründe der Erscheinungen der Welt.
Aus diesem Grunde
rechnet unser Beobachter die naturwissenschaftlichen Gedanken berechtigt
der Erde zu. Er findet an der Erde einerseits ihre Erscheinungen,
andererseits in den Gedanken des Menschen auch deren Erklärungen vor.
Beides gehört für ihn gleichermaßen der Erde zu. Und zu je tieferen
Erlebnissen und Erklärungen über die Erde der auf der Erde befindliche
Mensch kommt, desto vollkommener, geistig-durchsichtiger wird für unseren
Beobachter die Erde, denn desto mehr tritt an ihr zu ihren Erscheinungen
auch die Offenbarung all ihrer Verhältnisse und Gründe auf.
Nun ist die Sache
noch immer nicht voll erfasst. Nimmt man nämlich hinzu, dass durch das
menschliche Innere auch das Erlebnis von beidem - von Erscheinung
und Erklärung der Erde - auf der Erde selbst vorhanden ist, dass dieses
Erlebnis also nicht nur bei unserem Besucher auftritt, sondern sogar der
Erde selber innewohnt, dann hätte unser Besucher die Erde sogar als ein
sich all ihrer Verhältnisse, Gründe und Erscheinungen vollbewusstes Wesen
anzusehen. D.h., nicht nur wie ein Ding, von dem ein Wissen über sich
ausstrahlt, das selber für dieses Wissen aber unempfänglich ist, sondern
vom Erlebnis dieses Wissens selber durch und durch erfüllt würde sie ihm
dann erscheinen.
Was damit angedeutet
ist, tritt noch deutlicher hervor, wenn man die Stellung des Menschen in
der Erdnatur erfasst. Die beschriebene Vollbewusstheit der Erde tritt ja
nicht in jedem ihrer Bereiche, sondern nur im Menschen auf.
[2]
Gehört nun der Mensch nicht wesensgemäß ebenso zur Erde hinzu, wie schon
seine Erkenntnisse zu ihr hinzugehören, würde der Satz von der
Vollbewusstheit der Erde nicht haltbar sein. Sie würde von Vollbewusstheit
dann nicht durchdrungen, sondern bestenfalls davon besiedelt sein.
Im Gegensatz zur
heute herrschenden kosmologischen Auffassung, die von den Gliedern der
Erde nur den materiellen Erdball sieht, stellt die Erde aber einen höchst
komplizierten Organismus dar. Und zu diesem Organismus gehört der
Mensch auf bedeutende Weise hinzu. Er ist ein Glied des Organismus
Erde, so, wie auch der Erdball nur ein Glied dieses Organismus und
nicht ein für sich dastehendes Ganzes ist.
Letzterer hat
ungefähr die Funktion für das Ganze, die das Skelett im Einzelmenschen
hat. Er gibt dem Ganzen Stütze und trägt es durch den Raum. Der Mensch
aber gibt den Schauplatz des Selbstverständnisses des Ganzen ab.
Wir dürfen deshalb
sagen:
Der Mensch ist das
Organ der Erde, in dem sie über sich zur vollen Bewusstheit kommt.
Im naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozess gibt er den Schauplatz des
Selbstverständnisses der Erde ab.
Wenn man nun
hinzunimmt, dass auch der Einzelmensch ein Organ besitzt, in dem er über
sich zum Selbstverständnis kommt - beim Einzelmenschen ist dies das
Gehirn! - so dürfen wir sagen:
Der Mensch verhält
sich zur Erde, wie das Gehirn sich zum Einzelmenschen verhält: Der Mensch
ist das "Gehirn" der Erde.
Wir sind es ja
gewohnt, unsere Erde als "Planeten" zu bezeichnen. Damit meinen wir
gewöhnlich, dass sie ein nicht-leuchtender kugelförmiger Himmelskörper auf
einer Umlaufbahn um einen anderen Himmelskörper ist. So richtig das auf
der einen Seite ist, so ist diese Vorstellung doch geeignet, uns die
Besonderheiten dieser Erde zu verhüllen. Denn es wird durch diese
Bezeichnung die Suggestion mit aufgeworfen, dass die Erde ein bloß
materielles Etwas sei.
- Ein Stein ist
sicherlich ein kosmisches Objekt, das nicht selber leuchtet. Ein
ebensolches Objekt ist aber auch Goethe. Wenigstens in physischer Hinsicht
ist das so. In der Kategorie physisch-leuchtend/nicht-leuchtend würden sie
beide als gleichartig aufgefasst. Dennoch sind sie ganz verschiedener
Natur. In ähnlicher Weise liegt ein beträchtlicher Unterschied etwa
zwischen der Erde und dem Mond. Wenn auch beide, da sie "nicht-leuchtende"
Sterne sind, als Planeten bezeichnet werden dürfen, ist doch die Erde -
als ein ihrer inneren Verhältnisse und Gründe voll bewusst werdendes und
demgemäß organisiertes Wesen - schon eher einem Goethe, der Mond nur einem
Steine zu vergleichen.
Nun, für die
Planeten solche Unterscheidungen zu treffen sind wir im allgemeinen nicht
gewohnt. Unsere Kosmologie begnügt sich derzeit noch damit, die Objekte
des Himmels rein physikalisch-chemisch aufzufassen. Und da drängt sie uns
mit der Zuordnung der Erde zu den "Planeten" auch gleich die Auffassung
mit auf, dass die Erde im Wesentlichen materieller Natur sei. Der
materielle Erdball, den wir von unserem Standpunkt nur als ein
"Glied" der Erde, als ein Glied unter weiteren, bezeichnen dürfen,
wird von dieser Auffassung schon für das Ganze der Erde gehalten. Und ohne
die Beziehungen weiter zu untersuchen, in denen dieser Ball mit den
übrigen Erscheinungen der Erde steht, sieht sie alles Leben auf der
Erde als eine bedeutungslose Randerscheinung an.
Zu dieser Ansicht
kommt sie aber nur, weil sie die Erscheinungen der Erde bloß äußerlich
erfasst. Man sieht, das Leben spielt sich auf der Oberfläche der Erde ab
und hat quantitativ für die Kugel keine Bedeutung. Weder kann es
ihre Laufrichtung durch den Raum noch sonst etwas an ihr verändern.
Quantitativ übermächtig steht das Materielle der Erde so zunächst im
Blick.
Vorurteilsfreie
Beobachtung geht aber über die äußere Erscheinung der Erde auch auf die
inneren Beziehungen der an ihr aufgefundenen Teile ein. Indem sie dies
tut, bekommt die Erde ein anderes Gesicht. Die Teile der Erde sind nicht
innerlich beziehungslos zusammengehäuft, wie es etwa die Teile auf einer
Müllhalde sind. Sie wirken für eine höhere Einheit zusammen und stellen
Glieder eines Organismus dar. Und dieser Organismus besitzt neben einem
"Skelett" auch ein "Gehirn", und er beinhaltet neben seiner äußeren
Erscheinung auch das Erlebnis und Verständnis seiner selbst.
Schlicht: als ein
geistiges Wesen ist die Erde somit anzusehen.
Wie anders, als was
unsere herkömmliche, nur an den gröbsten Erscheinungen haftende, für alles
Wesentliche blinde Kosmologie uns über die Erde weismachen will, sieht
schon vom Beginne her aus, was eine Naturwissenschaft, die vorurteilslos
ist und sich überdies selbst als ein Faktum auf der Erde mitdenkt (denn
anders hätten wir von der geistigen Seite der Erde nichts bemerkt) über
die Erde darzustellen hat. Und was da bisher dargestellt wurde, ist
wirklich nur ein allererster Beginn. Zum einen ist natürlich der
Organismus der Erde sehr viel reichhaltiger als in "Gehirn" und "Skelett"
gegliedert. Zum anderen sprechen sich aber auch in der Physiognomie
der Erde, der äußeren Verteilung ihrer menschlichen Rassen und Kulturen,
ihrer Fauna und Flora, der Verteilung ihrer Stoffe, der Mineralien,
Metalle, Gase usf., ja selbst in der Gliederung und Lage ihrer Kontinente
und Ozeane durchaus die ihr zugrundeliegenden seelisch-geistigen Tatsachen
aus.
Es braucht solche
Darstellung hier aber nicht weiter fortgeführt zu werden. Denn nur auf das
ganz und gar Prinzipielle dieser Erde kam es hier zunächst an. Und so sind
z.B. mit ihrer Scheidung in "Skelett" und "Gehirn" nur die äußersten Pole
ihres Organismus erst einmal charakterisiert. Man wird aber auch über das
Restliche dieser Erde leicht zur Klarheit kommen, wenn man ihre Teile
nicht äußerlich beziehungslos aneinandergereiht, sondern in ihren wahren
inneren Verhältnissen denkt.
Was von diesem
Gesichtspunkt über den Kosmos im Ganzen zu sagen ist, sei hier auch noch
angefügt.
Zunächst ist klar:
Wenn die Erde als ein durchlebtes, durchfühltes, sich selbst verstehendes
und erklärendes Wesen schon eher einem Goethe als einem Steine gleicht,
was wird dann im Einzelnen erst einmal über den Mars, die Venus, ja: die
Sonne usw. zu berichten sein... Welche Repräsentationen, Offenbarungen,
Wendungen, Abschattierungen des Kosmisch-Seelischen und Kosmisch-Geistigen
werden wir in ihnen und in ihrem Zusammenspiele einmal zu entdecken haben.
Und als welch donnerndes Ereignis wird dann der Kosmos einmal vor uns
stehen...
Doch legen wir zu
solcher Zukunftsaussicht hier erst einmal den festen Grund. Unter Absehung
aller übrigen Fragen schauen wir uns hier erst einmal das Verhältnis an,
in welchem die Erde zum übrigen Kosmos steht. Bisher haben wir sie
ja nur für sich, herausgelöst aus dem kosmischen Umfeld, betrachtet. Wie
steht sie aber in diesem kosmischen Umfeld drinnen?
Von der Erde aus
wird - durch den Menschen - ja auch der Kosmos erlebt und begriffen.
Dadurch ist die Erde natürlich auch als der Schauplatz von Erlebnis und
Verständnis des Kosmos anzusehen. Also ist auch der Kosmos ein Wesen mit
"Gehirn". Auch er hat einen Ort, in dem es zum Erlebnis und Verständnis
seiner Verhältnisse, Gesetze, Gründe usw. kommt. Und dieser Ort im Kosmos
ist die Erde!
In
seelisch-geistiger Hinsicht steht die Erde damit tatsächlich im
Mittelpunkt der Welt! - Äußerlich besehen steht sie dort natürlich nicht,
so wenig der Mensch als das "Gehirn der Erde" im Mittelpunkt des Erdballs
oder das Gehirn des Menschen im Mittelpunkt des physischen Menschenleibes
steht. Blicken wir aber darauf, wie Gehirn, Mensch, Erde jeweils
Schauplatz der Vollbewusstheit ihrer Trägerorganismen sind, so sehen wir
sie als Zentralorgane dieser Trägerorganismen an.. Nicht äußere,
physische, sondern "innere", seelisch-geistige Mittelpunktsstellung haben
sie da.
Im Zuge einer
äußerst einseitigen Entwicklung der Medizin, die kaum mehr wirklich heilen
kann, weil sie das Leben nicht versteht, hat man ja begonnen, erkrankte
Organe einfach auszuwechseln. Nur das Gehirn, das wechselt man nicht aus.
Einerseits sind die Schwierigkeiten dazu noch zu groß (man sieht daran,
wie sehr gerade dieses Organ mit dem Ganzen verflochten ist), andererseits
würde man durch diese Auswechslung des bedeutendsten von allem, des
inneren Zentrums, der bewussten eigenen Existenz und Identität beraubt.
Wie das Gehirn in
seelisch-geistiger Hinsicht das Zentralorgan des Einzelmenschen ist, so
ist in seelisch-geistiger Hinsicht der Mensch als das Zentralorgan der
Erde, die Erde als das Zentralorgan des Kosmos anzusehen.
Gleich mag sich
daran die Frage knüpfen, ob es im Kosmos noch weitere, der Erde qualitativ
gleichzustellende "Zentralorgane" gibt. Nach der oberflächlichen
Auffassung unserer Zeit wäre diese Frage etwa gleichbedeutend mit der
anderen, ob es noch weitere "von intelligenten (erkennenden) Wesen
bewohnte Planeten" - vielleicht auch Gestirne und dergleichen - gibt.
Und da ist zu sagen:
Warum eigentlich nicht? Wir sagten doch, dass "der MENSCH" das Organ der
Erde ist, in dem sie über sich zur vollen Bewusstheit kommt und dass er
in dieser Funktion im "Mittelpunkt" der Erde steht.
Nun, dieser Satz ist
gültig, obwohl wir derzeit 6 Milliarden Menschen auf der Erde sind und
alle Eltern, Voreltern usw. und größtenteils auch Nachkommen haben...
Warum sollte derartiges nicht auch für den Kosmos zu denken sein? Wenn es
vielleicht auch noch weitere sich selbst und den Kosmos begreifende Sterne
und Planeten gibt - in Hinsicht auf ihre Stellung im Ganzen wären sie dann
alle gleich. Wie etwa ein Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, ja auch ein
Einstein, sich nur von verschiedenen Gesichtspunkten aus derselben einen
Wahrheit über die Erdbewegung nähern, brächten solche Sterne und Planeten
nur von verschiedenen Gesichtspunkten aus die eine große Wahrheit über den
Kosmos herauf. Obwohl sie räumlich und vielleicht auch zeitlich
auseinander liegen, würden sie, als Offenbarer des kosmischen
Selbstverständnisses, von gleichem Rang und gleicher Bedeutung sein.
In einem Kosmos, in
dem es darauf ankommt, zu seinem Dasein auch das Verständnis seines Wesens
und Wirkens in sich zu hegen, wären sie alle "Zentralorgane" (sprich: in
kosmischer "Mittelpunktsstellung"), würden sie alle Träger des
Selbstverständnisses des Kosmos sein.
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