Ralph Boes
Gedanken vom Kosmos
Die Welt im Lichte idealischer Naturwissenschaft
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Kapitel 7
VOM WESEN DER
WELT
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B: Das ICH im
Kosmos
Vor diesem
Hintergrund muss einmal darauf hingewiesen werden, wie tief berechtigt es
doch war, wie gerade der Mensch des frühen und mittleren christlichen
"Mittelalters" den Kosmos noch empfand; und wie wenig berechtigt es ist,
die von ihm gehegte geozentrische Auffassung des Kosmos samt und
sonders zu verwerfen. Er hatte Recht, soweit er fühlte, dass die Erde in
seelisch-geistiger Hinsicht im Zentrum einer seelisch-geistigen Dimension
des Kosmos liegt. Zu Unrecht und Dogma wurde diese Auffassung erst, als
man die seelisch-geistige Struktur des Universums auch auf seine physische
Seite übertrug.
Nur dieser
Verrückung der Wahrheit in das materielle Gebiet hatte die aufkommende
Naturwissenschaft dann zu wehren. Sie sollte nur zeigen, dass die Erde
zwar "Gehirn" des Kosmos, nicht aber auch zugleich sein "Nabel" ist. Indem
sie die Zentrumsstellung der Erde dann aber absolut bestritt und
sich aus einem einseitigen physischen Erlebnis des Kosmos auch gegen
denjenigen Teil der mittelalterlichen Empfindung stellte, der unbedingt
berechtigt war, trieb sie nun ihrerseits in Unrecht und Dogma hinein. So
dass der große geschichtliche Konflikt zwischen einer sogenannt
"naturwissenschaftlichen" (den Kosmos a-zentrisch auffassenden) und einer
sogenannt "religiösen" (den Kosmos geo-zentrisch auffassenden) Kosmologie
nur aus beiderseitiger Übergeneralisierung von zunächst durchaus
berechtigten Teilansichten über den Kosmos entstand.
[1]
Doch wenden wir den
Blick noch einmal auf den Kosmos selbst. An das tiefste Innere der - trotz
aller berechtigten äußeren Auffassung doch bestehenden - kosmischen
Zentrumsstellung von Mensch und Erde treten wir nämlich erst heran, wenn
wir auch noch den folgenden Tatbestand besehen: Wir haben ja gefunden,
dass der Kosmos in der Erde offensichtlich ein "Gehirn", d.h., einen
Schauplatz von Erlebnis und Verständnis seiner Verhältnisse und seines
eigenen Wesens besitzt, so dass der Kosmos für uns nun selber in die Nähe
eines geistigen, sich selbst durchschauenden und erklärenden Organismus
(oder Wesens) rückt. Um ihn aber wirklich als ein vollbewusstes Wesen
bezeichnen zu können, fehlt uns noch ein "kosmisches Ich".
- Was damit gemeint
ist, ergibt sich uns gleich, wenn wir sehen, wie ein Gehirn allein nicht
ausreicht, um einen Organismus mit irgendeiner Art von Verständnis zu
erfüllen. Hervorbringer und Inhaber einer Erkenntnis ist ja immer nur ein
Subjekt, ein höchst persönliches konkretes "Ich", niemals ein Gehirn!
(Sonst würde uns alleine der Besitz eines Gehirnes schon wissend und weise
machen.). Einzig durch Beobachten und Denken kommen wir zur Erkenntnis der
Welt. Selbst die Tatsache, dass das Gehirn am Erkennen beteiligt ist, geht
uns erst aus Beobachten und Denken hervor. Der Täter von Beobachten und
Denken aber ist in uns: das "Ich"! Das Gehirn vermittelt uns
lediglich die Erfahrung der Welt und gibt die leibliche Stütze für das
Denken ab. Als Schauplatz der Erkenntnis, nicht als ihr Täter ist es daher
anzusehen.
- In gleicher Weise
reicht es, um den Kosmos mit Recht als ein vollbewusstes Wesen zu
bezeichnen, nicht aus, zu zeigen, dass er ein "Gehirn" besitzt. Wie zwar
für die höchste Erkenntnis veranlagt, aber doch letztlich geistig leer und
von der Erkenntnis des Menschen über ihn nur wie von außen beglänzt, käme
er uns vor, wenn er ein eigenes "Ich" nicht in sich hätte. So, wie ein
innerlich regsames Menschen-Ich Hervorbringer und Inhaber der Erkenntnis
im Menschen ist, muss ein innerlich regsames kosmisches Ich Hervorbringer
und Inhaber der Erkenntnis im Kosmos sein. Und wenn man es zunächst auch
nicht glauben mag - ein solches kosmisches Ich ist da!
Ein Erlebnis davon -
und was anderes als ein Erlebnis davon sollten wir suchen -
ein Erlebnis also davon ergibt sich, wenn wir beobachten, wie wir uns im
Erkennen aus dem Standpunkt herauslösen, den wir gewöhnlich in der Welt
innehaben. Wir haben das weiter vorne schon beschrieben.
[2]
Im Erkennen erleben wir die Welt nicht vom Standpunkt eines Wesens aus,
welches bloß für einen unendlich kurzen Moment im Dasein des ganzen Kosmos
auf einem unendlich kleinen seiner Planeten das bedeutungslose Leben eines
von derzeit 6 Milliarden Einzelmenschen lebt und sich da seine kleinen,
zumeist auch bloß eingebildeten, Vorteile verschafft. Wir schauen
sie da vom Standpunkt eines, das ganze kosmische und menschliche Wesen und
Schicksal überblickenden, von jedem Eigennutz befreiten Begutachters an.
Vom "gleichsam göttlichen Standpunkt", wie Goethe das nannte, betrachten
wir da die Welt. Und wie uns im gewöhnlichen Leben die Dinge unseres
zeitlich und räumlich sehr begrenzten Umfeldes angehen, gehen uns da die
Verhältnisse des Ganzen, das Wesen von Kosmos und Erde, von Monden,
Sonnen, Sternen, Pflanzen, Tier und Mensch, deren Verhältnisse,
Eigenschaften, Schicksale, Gründe usw. an. Als das Ich des Ganzen sind wir
deshalb im Erkennen anzusehen.
Als Kopernikus die
Bewegung der Erde studierte, da hat er sie vom Standpunkt dieses Ichs
aus angesehen. Es kann nur sein, er war sich dessen nicht voll bewusst. Es
ist ja zweierlei: die Bewegung der Erde zu studieren oder sich über die
innere Stellung Rechenschaft abzulegen, die man zu Erde und Kosmos in dem
Momente einnimmt, in welchem man sie begreift. Und mancher, auch große,
Weltentdecker hat das Letztere nie getan. Aber empfunden haben sie alle,
dass der Gesichtspunkt ihrer Forschung und die daraus erbrachten
Leistungen etwas waren, was die Kreise ihres persönlichen Daseins
unendlich überstieg. Denken wir welches Schicksal Giordano Bruno aus
diesem Grunde auf sich nahm.
Sobald wir uns
innerlich aufraffen und uns in die Stimmung bringen, die uns zu wahrer
Erkenntnis führt, sind wir zum kosmischen Allwesen erwacht. - Wie wenig
wird das heute empfunden und wie wesentlich ist das doch für ein
Verständnis der Welt! Denn wie der Einzelmensch nur zur Erkenntnis kommen
kann, weil in ihm ein Ich lebt, so kann auch der Kosmos nur zur Erkenntnis
über sich kommen, wenn in ihm ein Ich, ein kosmisches Ich, lebt. Und
mit diesem Ich sind wir im Erkennen eins!
Gewöhnlich wird ja
das "Ich" als diejenige Lebensmacht angesehen, die den Menschen zum Kosmos
in Gegensatz bringt. Geradezu als die Quelle der Gefahr, dass der Mensch
seine kosmische Aufgabe verfehlt und, statt den Kosmos zu vollenden, ihn
im Eigennutz "verbraucht", wird es oftmals angesehen. Für den giftigen
Stachel im harmonischen Allwesen des Kosmos hält man es so, nicht aber für
das Innerste dieses Allwesens selbst.
So verständlich ein
solches Urteil auch ist - angesichts des kleinmütigen und selbstischen
Egoismus, der die Menschheit heute in so weiten Teilen beherrscht, kann
man leicht darauf verfallen - so reichen doch die Erlebnisse, die diesem
Urteil zugrunde liegen, nicht aus, das Ich tatsächlich zu begreifen.
Wahrscheinlich jeder hat schon einmal Kopfschmerzen gehabt. Man würde es
dennoch nicht für das Wesen des Gehirnes halten, Schmerzen im Kopf zu
erzeugen. Ebenso ist das Wesen des Ich nicht erfasst, wenn man nur auf den
Egoismus, wie er derzeit vorherrscht, sieht.
In wahrer Gestalt
tritt das Ich erst im erkennenden Menschen hervor. Und da erweist sich,
dass dieses Ich das Ich des Kosmos ist. Denn immer schaut der erkennende
Mensch die Welt vom "gleichsam göttlichen Standpunkt" her an. Und wie
überhaupt alles nur vom Standpunkt dieses Ich aus zu begreifen ist, so ist
das natürlich auch mit dem Egoismus der Fall. Auch dieser ist für den
Menschen nur zu verstehen, wenn er ihn vom Standpunkt des kosmischen Ich
aus besieht.
Von diesem
Standpunkt her betrachtet zeigt sich, dass der Egoismus nur der
Schlagschatten ist, den das kosmische Ich in den ungeistigen,
rein-seelischen Seelenanteil des Menschen wirft: Das kosmische Ich
empfindet sich ja zu Recht als mit dem geistigen Weltengrund vereint. Der
wahre Entdecker tritt immer für die kosmische Begründetheit
[3]
seines Urteils ein. Und da ein solcher Entdecker dann auf die
allerselbstverständlichste Weise nach Maßgabe seiner Entdeckung auch zu
empfinden und zu handeln beginnt
[4],
bildet er sich, wissend oder nicht, zum Repräsentanten des Weltengrundes
aus.
Die bloße Geste für
diese Tatsache wird nun von dem unteren, rein seelischen Seelenanteil des
Menschen übernommen! D.h., ohne ihrer wahrhaft würdig zu sein, bemächtigt
sich das Selbstisch-Seelische im Menschen der Stimmung, Repräsentant des
Weltengrundes, ja, dieser Weltengrund höchstselbst zu sein.
[5]
Und welt- und selbstblind lebt er diese Stimmung dann in seinem
beschränkten Umfeld aus.
Nur eine Illusion
des Ich tritt so an Stelle des wahren Iches auf! Und diese - nicht das
Ich! - bringt den Menschen in einen Gegensatz zum Kosmos hinein. So dass
in Wahrheit nicht übersteigerte Ich-heit, sondern geradezu Ich-losigkeit
die Ursache des weltfremden, selbstischen Egoismus ist.
- Tatsächlich ist
das Ich des Menschen immer mit dem Ich des Kosmos eins.
[6]
Sein Auftreten ist nur verhindert, wo der selbstische Egoismus
herrscht. Tritt es aber auf, so wandelt es alles Seelische im Menschen,
auch die selbstischsten Bereiche darin, zu einem Kosmisch-Seelischen hin
um.
Mit dieser
Feststellung gehen wir wieder auf den großen Gedanken dieses Kapitels
zurück. Und da zeigt sich, dass auch der Kosmos ein Ich-begabtes geistiges
Wesen ist. Nur seine äußerste Erscheinung haben wir im Sternenraum vor
uns. In der Erde hat dieses Wesen sein "Gehirn", so wie es in den
naturwissenschaftlichen Ideen des Menschen die Elemente seiner
Selbsterklärung hat. Im Ich des Menschen aber tritt das dem Ganzen
zugrundeliegende Zentralwesen des Kosmos auf. Und dieses lebt sich, indem
wir erkennen, in seiner geistigsten Tätigkeit (nämlich der
Selbsterkenntnis) dar.
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